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Neruda
Filmbewertung: überzeugend
Starttermin: 23.02.2017
Regisseur: Pablo Larraín
Schauspieler: Luis Gnecco, Gael García Bernal, Mercedes Morán
Entstehungszeitraum: 2016
Land: RCH / RA / F / E / USA
Freigabealter: 12
Verleih: Piffl
Laufzeit: 108 Min.
Einer Legende auf der Spur
Pablo Larraín ist der bekannteste Regisseur Chiles, niemand Geringerer hätte sich wohl Pablo Nerudas Leben annehmen können. Larraíns "No!" war 2013 das erste für den Oscar nominierte Werk des Andenstaates. An wichtige Auszeichnungen seiner Werke durfte er sich fast schon gewöhnen: Mit "Jackie: Die First Lady" (mit Natalie Portman) begeistert er mit seinem neuesten Film derzeit Kinobesucher weltweit. Nun kommt der Vorgänger "Neruda" auch bei uns in die Kinos. Nach ungezählten Drehbuchvarianten entschied sich Larraín dafür, einen Ausschnitt des bewegten Lebens des Literaten zu überliefern: die Zeit der Verfolgung des geschassten Senators Neruda durch die Schergen Pinochets, nachdem sich dieser an die Macht geputscht hatte.

Larraín inszeniert diese (letzte) Episode als ein Katz-und-Maus-Spiel zwischen Kommissar Oscar Peluchoneau (Gael García Bernal) und Neruda (Luis Gnecco) im Stile eines Film noir und mit vielen surrealen Momenten. Er beschreibt es selbst als "Anti-Biopic", sicher auch, um sicherzugehen, dass niemand seinem Werk einen dokumentarischen Charakter unterstellen wird. Doch dies sollte jedem Betrachter vom ersten Moment an klar sein.

"Neruda"beginnt in einem absurd-pompösen Badezimmer, in dem sich die politische Elite Chiles wie selbstverständlich begegnet, um für einen Monolog des großen Neruda innezuhalten. Freilich nagelt er darin den Präsidenten verbal an die Wand. Von dieser Exposition ausgehend spitzt Larraín die Verfolgung Nerudas, in die die Staatsmacht damals eine aberwitzige Schar an Bluthunden der Armee und Polizei investierte, auf ein klassisches Duell zu: Peluchoneau vs. Neruda.

Wahrscheinlich hat Neruda mit seiner kunterbunten Fantasie Peluchoneau selbst erschaffen - diese Spur legt Larraín aus, indem sich sein Protagonist einen "eigenen" Verfolger wünschen darf und dies auch ausformuliert. Dieser fast comichafte Polizist, der sich mit seinem dünnen Schnurrbart und seinem hübschen Anzug aufbrezelt, als würde er hoffen, mit dem Aufzug eher an ein Date mit der Überfigur zu kommen, als ihn für alle Zeit aus dem Verkehr zu ziehen, ist Neruda natürlich nicht gewachsen. Dass Larraín ihn die Neruda-Biografie "Confieso que he vivido" ("Ich bekenne, ich habe gelebt") lesen und zitieren lässt, dient nur vordergründig dem kriminalistischen Interesse des Polizisten und vielmehr als Hommage ans Schaffen Nerudas.

Larraín gelingt ein besonderes Werk über die letzten Tage und Wochen der vielleicht größten Persönlichkeit Chiles. Er entwickelt mithilfe der schauspielerischen Leistungen seiner Hauptdarsteller Gnecco und García Bernal großartige Momente und unterstreicht diese mit einer ganz eigenen, naturalistisch anmutenden Optik. Gerne setzt er ein fast grell im Gegenlicht leuchtendes Chile in Szene, dazu passend die beiden Gegenspieler. Das Ergebnis ist märchenhaft und nimmt dem realen Drama um Neruda einiges an Wucht.

Von Denis Demmerle