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Der Hunderteinjährige, der die Rechnung nicht bezahlte und verschwand
Filmbewertung: überzeugend
Starttermin: 16.03.2017
Regisseur: Felix Herngren, Mans Herngren
Schauspieler: Robert Gustafsson, Iwar Wiklander, David Wiberg
Entstehungszeitraum: 2016
Land: S
Freigabealter: 12
Verleih: Concorde
Laufzeit: 109 Min.
Es ist nie zu spät
Wie wär's? Wir haben doch noch nie? Wollen wir's nicht versuchen? So inständig bittet Allans alte Berliner Freundin Amanda (Erni Mangold) um den Beischlaf. Schon um der Werbung zu widerstehen, ist der hunderteinjährige Allan (Robert Gustafsson) eigentlich zu müde. Aber irgendwie geht es doch, mit einem stocksteif und schmächtig daliegenden Weißhaarigen und einer Partnerin, die sich in schonungsvollem Rhythmus auf ihm bewegt. Das ist grotesk und anrührend, aber nie lächerlich. Amüsant und empathisch zugleich greift die bald sanfte, bald makabere Komödie "Der Hunderteinjährige, der die Rechnung nicht bezahlte und verschwand" das Tabuthema Sex im hohen Alter auf. Und unterstreicht die 'Es-ist-nie-zu-spät'-Philosophie, die der Fortsetzung von "Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand" ihren Kern gibt.

Ein Jahr ist vergangen. Allan und seine Freunde leben noch auf Bali. Aber das Geld aus dem Drogendeal, das ihnen in die Hände gefallen ist, ist ausgegeben. In Bademänteln schleichen sich Allan, Julius (Iwar Wiklander), Geddan (Jens Hultén) und das Äffchen Erlander aus dem Hotel, dessen Rechnung sie nicht mehr begleichen können. Zumindest haben sie einen Plan, wie es weitergehen könnte: Die Volksbrause aus dem untergegangenen Sowjetreich, die Allan in seiner Zeit als Doppelspion schätzen gelernt hat, könnte ein Verkaufsschlager werden und ihnen ein neues Vermögen bescheren. Wenn sie denn die Rezeptur hätten ...

Auf der Suche danach kehren Allan und sein Anhang ins heimatliche Schweden zurück, doch schon bald verschlägt es sie nach Berlin und Moskau. Dabei sind sie nicht die einzigen, die an dem Gebräu interessiert sind: Die CIA hat zwei Agenten nach Schweden geschickt, die den Verbleib der Volksbrause und Geddans mögliche Verwicklung in einen Terroranschlag prüfen sollen. Kristina (Svetlana Rodina Ljungkvist), Tochter von Allans einstigem russischen Kontaktmann, erhebt Ansprüche auf die Rezeptur. Und dann ist da noch ein finsterer Bursche, der immer noch nach dem Drogengeld sucht.

Während der erste Film eigentlich nur zeigt, wie Allan die Weltgeschichte durchstreift hat, steigt der neue Film ziemlich tief in sie ein. Lange Rückblenden machen mitsamt Nixon und Breschnew den Kalten Krieg, die Konfrontation zwischen den USA und der Sowjetunion Anfang der 70er-Jahre wieder lebendig. Der Einfall mit der Volksbrause ist schon sehr subtil: Die Sowjets wollen nicht nur der westlichen Popmusik, sondern auch ihrer koffeinhaltigen Limonade etwas Leckeres entgegensetzen. Aber dieses Gedankenspiel alternativer Geschichte verselbstständigt sich doch etwas zu sehr und droht im ersten Drittel die Haupthandlung in den Hintergrund zu drängen.

Dabei bieten auch ohne Romanvorlage von Bestsellerautor Jonas Jonasson das Drehbuch und die Regie der Brüder Felix und Mans Herngren für die Jetztzeit ein solides Roadmovie mit wohldosierten burlesken Einlagen. Die rasende Geschwindigkeit des Äffchens Erlander, Star aus "Fluch der Karibik", kontrastiert wirkungsvoll mit der Gebrechlichkeit und Mühseligkeit, mit der sich Allan fortbewegt. Überhaupt gewinnt Robert Gustafsson seinem Allan neue Facetten ab, gibt ihm Sanftmut und Liebenswürdigkeit. Wenngleich erzählerisch nicht in allen Details nahtlos der Anschluss an den vorherigen Film gelingt, so feiert auch die Fortsetzung in ihrer Mischung aus Fantasie und Realitätsnähe das Leben und die Gemeinschaft mit Freunden als Abenteuer für jedes Alter. Prosit!

Von Andreas Günther