rewirpower.de – Das Revierportal


You'll Never Walk Alone
Filmbewertung: akzeptabel
Starttermin: 18.05.2017
Regisseur: André Schäfer
Schauspieler: Joachim Król, Campino, Jürgen Klopp
Entstehungszeitraum: 2017
Land: D
Freigabealter: 0
Verleih: mindjazz
Laufzeit: 99 Min.
Kultur statt Fußball
Weiterzugehen und nicht die Hoffnung zu verlieren, das ist an manchen Tagen nicht einfach. Fast so als hätte einen ein Sturm umgeblasen, ein Unwetter, wie es in dem Song "You'll Never Walk Alone" besungen wird, einem tröstlichen Lied, das einen immer wieder auffordert: "Geh weiter". Ein Lied, das blendend in die Fußballstadien passt, in denen es auch seit Langem zu Hause ist. Dort, wo am Wochenende elf gegen elf aufeinandertreffen, umsäumt von ihren treuen Fans, dort lässt man sich nicht vom Feld fegen, da steht man wie ein Mann zusammen, die Zuschauer hinter ihren Spielern, im Sieg, im Untergang und notfalls auch im Unentschieden. Der Weg ist das Ziel und diesen Weg muss man nicht alleine gehen. Doch woher, so fragt dieser Dokumentarfilm, kommt dieser Song eigentlich?

Nach dem Anschlag auf den Mannschaftsbus von Borussia Dortmund am 11. April könnte dieser Doku womöglich mehr Aufmerksamkeit zuteilwerden als unter "normalen" Umständen. Denn auch im Signal-Iduna-Park, dem größten Stadion Deutschlands, erschallt "You'll Never Walk Alone", wenn der BVB seine Gäste empfängt. Und seit der Sprengstoffexplosion, die ganz Fußball-Deutschland erschütterte, spielten sogar die gegnerischen Mannschaften das Lied, um ihre Empathie zu bekunden. Filmemacher André Schäfer stellte sich die Aufgabe, die Geschichte der Komposition zu erzählen, begleitet vom sympathischen Schauspieler Joachim Król, geboren in Herne und von Kindesbeinen an Borusse.

Er übernimmt die Rolle des Fremdenführers für den Zuschauer, erforscht die Wurzeln des Songs, und das tut er sehr charmant und wortgewandt. Mit einem Augenzwinkern wird berichtet, dass der Verein und seine Stadionhymne quasi dasselbe Geburtsjahr haben. Król ist die Freude ins Gesicht geschrieben, wenn er für ihn heiligen Boden betreten darf oder von seiner Kindheit erzählt. Doch schnell gerät der BVB in den Hintergrund, und die Reise geht nach Budapest, wo im Jahr 1909 der Autor und Dramaturg Ferenc Molnár ein neues Theaterstück schrieb: "Liliom". Der Film erzählt recht ausführlich, wie dieses Stück über Wien, Berlin und Hamburg als Musical nach New York kommt, und wer sich mehr für Fußball als für den kulturgeschichtlichen Hintergrund interessiert, kann schon mal den Faden verlieren.

André Schäfer will es genau wissen, und als würde er merken, dass dabei Langeweile nicht zu vermeiden ist, flickt er aktuelle Einsprengsel mit Bezug zu Borussia Dortmund ein. Dadurch entsteht eine Parallelstruktur, mit der alle unzufrieden sein dürften, außer diejenigen, die sich gleichermaßen Kultur- und Fußballliebhaber nennen. Auf Popularität wird Wert gelegt: Toten-Hosen-Frontmann Campino ist sicher ein Fan von Format mit hohem Bekanntheitsgrad und knackigen Statements - außerdem hat er gerade ein neues Album herausgebracht.

Da wird die Schauspielerin Mavie Hörbiger zu ihrer Meinung befragt und Jürgen Klopp vor die Kamera geschoben, um Rede und Antwort zu geben. Er ist natürlich Dreh- und Angelpunkt, war er zunächst BVB-Trainer und im Anschluss bei Liverpool, wo tatsächlich die Wiege der Hymne steht. "You'll Never Walk Alone" von Gerry and the Pacemakers fand den Weg ins Stadion an der Anfield Road über einen Weg, der im Nachhinein höchst kurios anmutet - dennoch nimmt diese Geschichte den unterhaltsamsten Teil des Films ein. Trotz des geballten Esprit eines Joachim Król wird die Aneinanderreihung der Puzzleteile aus Ungarn, Amerika, England und dem Ruhrpott zu einem Porträt mit mehr Informationsgehalt denn Unterhaltungswert.

Von Claudia Nitsche