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Das unerwartete Glück der Familie Payan
Filmbewertung: akzeptabel
Starttermin: 20.07.2017
Regisseur: Nadège Loiseau
Schauspieler: Karin Viard, Philippe Rebbot, Hélène Vincent
Entstehungszeitraum: 2016
Land: F
Freigabealter: 6
Verleih: Wild Bunch
Laufzeit: 105 Min.
Beim nächsten Kind wird alles besser
Problematische Mitbewohner scheinen die Franzosen momentan sehr zu beschäftigen. Nach Komödien wie "Frühstück bei Monsieur Henri" oder "Madame Christine und ihre unerwarteten Gäste" sieht sich Madame-Christine-Darstellerin Karin Viard nun mit einem Neuzugang ganz anderer Art konfrontiert. Ihre Figur Nicole ist mit 49 Jahren noch einmal schwanger geworden und warnt ihren neuen kleinen "Untermieter" mit den Worten, er habe sich nicht die beste Vermieterin ausgesucht. Wie wahr das ist, zeigt sich in der bittersüßen und leider nicht sehr lustigen Familienkomödie "Das unerwartete Glück der Familie Payan" von Nadège Loiseau.

Ob eine Schwangerschaft kurz vor den Wechseljahren nun ein Glück darstellt, wie es der deutsche Titel vermitteln möchte, oder eher ein Unglück, darum geht es in diesem Film. Noch wichtiger dabei ist das Hinterfragen der Rolle, die Nicole in ihrem Familienverband seit vielen Jahren spielt. Um es kurz zu fassen: Ohne sie läuft in diesem chaotischen Vier-Generationen-Haushalt nichts.

Grandios spielt Karin Viard diese es allen recht machen wollende Frau und Mutter zweier erwachsener Kinder, die aber gleichzeitig genervt von der Situation und voller Schuldgefühle ist. Ihre Tage sind lang. Wenn sie als Hauptverdienerin der Familie von der Arbeit im Mauthäuschen an der Autobahn nach Hause kommt, wartet die Hausarbeit auf sie. Außerdem muss sie sich um ihre liebenswerte, aber leicht verwirrte Mutter Mamilette (Hélène Vincent) kümmern. Und dann wäre da noch ihre Enkelin Zoé (Stella Fenouillet), die mit ihrer volljährigen Mutter Arielle (Manon Kneusé) im ehemaligen Jugendzimmer immer noch im "Hotel Mama" wohnt und so anstrengend ist, wie es Kinder eben sind. Zumal Arielle sich gegenüber Zoé eher wie eine große Schwester als eine Mutter verhält.

Auch der arbeitslose Ehemann Jean-Pierre (Philippe Rebbot) ist keine Stütze, weder im Alltag noch moralisch. Als ehemaliger Meisterturner trainiert er zwar die Nachwuchssportler des Ortes, lässt sich aber meist Sportanzug planlos durch den Tag treiben. Es muss sich etwas ändern, beschließt Nicole, als sie von ihrer Schwangerschaft überrascht wird: Sie will etwas ändern, sich schonen und zumindest diesmal die Schwangerschaft und die Zeit mit dem Baby genießen. Dabei brechen jedoch heftige Konflikte auf, die sie sogar dazu bewegen, über einen Abbruch der Schwangerschaft nachzudenken.

Der Film spricht viele ernsthafte Probleme an, die er aber, um nicht in ein Sozialdrama abzurutschen, mit Gags wegzuwischen versucht. Das funktioniert manchmal, etwa wenn Mamilette ihre fast 50-jährige Tochter nach Verkündigung der Schwangerschaft pikiert fragt: "Willst du mir damit sagen, du machst es immer noch mit Jean Pierre?" Und wenn dieser dann auf die Verkündung der "frohen" Botschaft kontert: "Und der Vater?" Dann bleibt einem das Lachen schon wieder im Halse stecken. Ein befriedigendes Ende der Geschichte ist in Sicht, aber es ist schwer erarbeitet, von den Figuren aber auch vom Zuschauer, der heftige Pointen aushalten muss. Als sich Zoé beklagt, keine sauberen Unterhosen mehr zu haben, wird ihr empfohlen, die am wenigsten schmutzige umzudrehen.

Nein, das Langfilmdebüt der Französin Nadège Loiseau ist keine Wohlfühlkomödie. Entwickelt hat sie die Geschichte aus einem eigenen Kurzfilm. Die Sperrigkeit der Figuren mag da noch nicht so gestört haben. Bei über 100 Minuten mit dieser Familie fragt man sich stattdessen erstaunt, was diese überhaupt zusammenhält. Der Film bringt die Protagonisten zumindest dazu, darüber nachzudenken. Vielleicht lässt sich doch noch was retten und beim nächsten Kind wird alles besser.

Von Diemuth Schmidt