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Liebe zu Besuch
Filmbewertung: überzeugend
Starttermin: 23.11.2017
Regisseur: Hallie Meyers-Shyer
Schauspieler: Reese Witherspoon, Nat Wolff, Pico Alexander
Entstehungszeitraum: 2017
Land: USA
Freigabealter: 0
Verleih: Splendid Film
Laufzeit: 98 Min.
Liebenswert komisch
So skeptisch wie auf dem Kinoplakat müsste Alice (Reese Witherspoon) gar nicht schauen. Es gibt wirklich Schlimmeres, das einem nach einer Trennung widerfahren kann. Die hübsche Mama bekommt Langzeitbesuch von drei jungen Männern, und das ist sehr viel weniger klischeebeladen, als man vielleicht argwöhnt. Die romantische Komödie "Liebe zu Besuch" ist über weite Strecken liebenswert komisch und unterhaltsam.

Man sieht es ihr heute nicht mehr an, aber Alice war mal eine Rockerbraut und führte mit ihrem Musiker-Mann (Michael Sheen) ein ziemlich cooles Leben. Das war ganz lustig, solange die beiden kinderlos waren. Seit Alice zwei Töchter hat, findet sie die Eskapaden und leeren Versprechungen ihres Mannes nicht mehr okay und entschließt sich zur Trennung inklusive Umzug nach Los Angeles. Dass sie am Morgen ihres 40. Geburtstags im Bad leise weint, muss ja keiner wissen. Sie geht an ihrem Feiertag raus, trinkt so viel Schnaps wie früher und lernt drei junge Filmemacher (Pico Alexander, Jon Rudnitsky, Nat Wolff) kennen, die auf der Suche nach einer Bleibe sind. Man kennt das: kreativ, innovativ und pleite. Als die drei ins Gästehaus (an Geld fehlt es hier nicht) einziehen, entsteht eine ganz eigenwillige Art von Familienprojekt.

Wie so oft beginnt auch diese Komödie mit einer Vorstellung der Protagonistin im Schnelldurchlauf. Die Hektik in den ersten Minuten lässt vermuten, dass es um Slapstick und schnellen dialogischen Schlagabtausch gehen wird. Doch wie die Hauptdarstellerin entspannt sich auch langsam die Handlung, und man gewinnt den Eindruck, dass Hallie Meyers-Shyer nach und nach den Mut findet, ihr Drehbuch zu erzählen. Die Debütantin trägt einen großen Namen, ist die Tochter der Komödien-Ikone Nancy Meyers, die etliche kommerziell erfolgreiche RomComs schrieb und/oder inszenierte.

Umso schwieriger für Meyers-Shyer, ihren eigenen Stil zu finden. Mit einer gewissen Normalität und ohne hysterische Ausfälle kommt die Geschichte ins Rollen. Man hört einander zu, interessiert sich füreinander. Dazu kommt eine gehörige Portion Hilfsbereitschaft, die dem Kinozuschauer gefallen dürfte, wähnt man sich doch in einer heileren Welt. Besonders wenn man sieht, wie problemlos sich die Töchter von Alice, Isabel (Lola Flanery) und Rosie (Eden Grace Redfield) mit den netten Kerlen anfreunden.

Reese Witherspoon, die für diesen Film nur die zweite Wahl nach Rose Byrne war, ist als Sympathieträgerin für beide Geschlechter die Idealbesetzung. Sie wurde etwas dicker gestylt, dies aber nicht in allen Szenen durchgängig, was im wahrsten Sinne des Wortes einen etwas unrunden Eindruck macht. Die drei jungen Männer entwickeln alle ihren Charakter und sind keineswegs sofort zu durchschauen. Genauso, wie man den Fortgang dieser Episode nicht vorausahnen kann.

Das liegt auch ein bisschen daran, dass hier und da das Drehbuch Sprünge vollzieht und manche Reaktionen von Alice nicht ganz nachvollziehbar sind. Doch das überzeugende Spiel und das Tempo, das im Zweifelsfall immer wieder mal anzieht, unterstützen den guten Gesamteindruck. Möglicherweise ist dieser Film vor allem für Frauen gedacht, schließlich hat hier eine alleinerziehende Mutter "technischen Support, Sex und Kinderbetreuung", wie es eine Freundin zusammenfasst. Ja, sie kann eine schöne, kurze Weile lang nicht klagen. Doch so ein Neuanfang ist nichts für Feiglinge, darum lässt "Liebe zu Besuch" zu, dass Störenfriede eindringen und Entscheidungen getroffen werden müssen.

Zum Ende gerät Filmemacherin Hallie Meyers-Shyer dann doch ins Stolpern. Es wirkt, als hätte sie eine Menge geschnitten, was den Schluss etwas holprig daherkommen lässt. Man könnte sich natürlich retten und behaupten: Wer kann schon alle Entscheidungen einer Frau nachvollziehen? Oder um es mit einem Filmtitel von Nancy Meyers zu sagen: Wenn Liebe so einfach wäre.

Von Claudia Nitsche