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Heilstätten
Filmbewertung: akzeptabel
Starttermin: 22.02.2018
Regisseur: Michael David Pate
Schauspieler: Sonja Gerhardt, Tim Oliver Schultz, Lisa-Marie Koroll
Entstehungszeitraum: 2017
Land: D
Freigabealter: 16
Verleih: Twentieth Century Fox
Laufzeit: 89 Min.
Gewohntes aus der Anstalt
Das Horrorgenre in Deutschland wieder salonfähig machen. Mit diesem ehrbaren Vorsatz haben sich Produzent Till Schmerbeck und Regisseur Michael David Pate ("Kartoffelsalat") an den Spukhausfilm "Heilstätten" begeben. So sehr man die Macher für ihren Mut loben möchte, drängt sich sofort die Frage auf, ob eine Erneuerung ausgerechnet mit dem inzwischen recht abgenutzten Found-Footage-Ansatz möglich ist. Fast 20 Jahre nach dem Erfolg des Low-Budget-Schockers "Blair Witch Project" wirkt ein pseudodokumentarischer Gruselbeitrag per se ein wenig altbacken. Einen modernen Anstrich verpasst Pate seiner Schauermär, indem er die mit Videokameras ausgerüsteten Protagonisten zu YouTubern auf der Suche nach dem nächsten großen Kick macht.

Charly (Emilio Sakraya) und Finn (Timmi Trinks) sind die Stars eines Prank-Formats im Internet, das sich unter jungen Menschen großer Beliebtheit erfreut. Im Kampf um möglichst viele Klicks stehen sie der Beauty-Expertin Betty (Nilam Farooq) gegenüber, die ihrerseits unzählige Teenager erreicht. Zusammen mit der onlinebegeisterten Emma (Lisa-Marie Koroll) wollen die drei YouTuber die ultimative Herausforderung wagen und sich für 24 Stunden in einem verfallenen Krankenhaus vor den Toren Berlins einquartieren. Dort soll es angeblich paranormale Phänomene zu beobachten geben.

Begleitet wird das Quartett von Finns altem Kumpel Theo (Tim Oliver Schultz), der die als Heilstätten bekannte Anstalt wie seine Westentasche kennt. Kurz nach der Ankunft in dem verlassenen Sanatorium taucht auch noch Theos Ex-Freundin Marnie (Sonja Gerhardt) auf, die bei einem früheren Besuch des Klinikkomplexes einen Geist gesehen haben will. Voller Enthusiasmus montieren die Jugendlichen Kameras und machen erste Erkundungstouren durch die heruntergekommenen Räumlichkeiten. Schon bald schlägt der Spaß allerdings in tödlichen Ernst um.

Wer die betont lässige Sprache der YouTube-Generation ("Dicker", "Fame-Bitch") nicht ausstehen kann, wird mit "Heilstätten" nur wenig Freude haben. Denn fortlaufend sieht sich der Zuschauer mit vermeintlich coolem Gebrabbel und anstrengenden hyperaktiven Verhaltensweisen konfrontiert. Pates Drehbuch zeichnet die Hauptfiguren als Karikaturen unterschiedlicher Internet-Typen und kehrt die Aufmerksamkeitssucht der Videoblogger deutlich nach außen. Schön wäre es jedoch gewesen, hätte der Regisseur seine Kritik am unreflektierten Wettstreit um Likes und neue Follower etwas subtiler und weniger thesenhaft vorgebracht.

Als Horrorfilm überzeugt das Ganze zunächst nur bedingt, auch wenn das ranzige, schaurig ausgestattete Setting (spielen soll der Film in den Beelitz-Heilstätten, gedreht wurde allerdings in der ehemaligen Lungenklinik Grabowsee) durchaus Unbehagen verbreitet. Teenager, die den Nervenkitzel suchen, durch finstere Gänge stolpern, sich irgendwann in die Haare kriegen und ständig falsche Entscheidungen treffen, kennt man aus dem Genre zur Genüge. Da auch die gelegentlich eingeschobenen Schockeffekte höchstens mittelprächtig ausfallen, dürfte der Angsttrip gruselerfahrenen Kinogängern bloß ein müdes Lächeln abgewinnen.

Die immer mal wieder anklingende düstere Nazi-Vergangenheit der Heilstätten schafft einen spannenden Nährboden, den Pate aber nur manchmal für wirklich unheimliche Momente nutzen kann. Unklar bleibt bis zum Schluss, welche Rolle die vollkommen blasse Emma einnehmen soll. Rückblickend betrachtet hätte man auf diese Figur auch verzichten können, ohne dadurch die Handlung zu beeinträchtigen. Überflüssig ist auch das Techtelmechtel zwischen Betty und Finn, das weder den Charakteren noch der Geschichte irgendeine aufregende Facette hinzufügt.

Angesichts der lange Zeit unspektakulären Aufmachung überrascht es schon, dass der schauspielerisch solide Film im letzten Akt handfesten Nervenkitzel produziert. "Heilstätten" taucht plötzlich in abgründige Gefilde ein und zaubert dabei einige blutige Gemeinheiten aus dem Hut. Einmal mehr bemüht der Regisseur an dieser Stelle Holzhammermethoden, um seine Aussagen zu zementieren, schafft es aber dennoch, den Betrachter durchzuschütteln. Das perfide Ende rettet ein wenig den Gesamteindruck, kann den Gruselthriller allerdings nicht in einen wirklich einprägsamen Genrebeitrag verwandeln.

Von Christopher Diekhaus