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Loro - Die Verführten
Filmbewertung: akzeptabel
Starttermin: 15.11.2018
Regisseur: Paolo Sorrentino
Schauspieler: Toni Servillo, Elena Sofia Ricci, Riccardo Scamarcio
Entstehungszeitraum: 2018
Land: I / F
Freigabealter: 12
Verleih: DCM Film Distribution GmbH
Laufzeit: 157 Min.
Die große Leere
Paolo Sorrentino gehört zu den großen, engagierten Regisseuren des europäischen Gegenwartskinos, der mit genauem, wenn auch sehr subjektiven Blick immer wieder die italienische Gesellschaft skizziert. Mit der opulenten, oscargekrönten Milieustudie "La Grande Bellezza" (2013) ist dem in Neapel geborenen Autodidakten ein episches Meisterwerk gelungen, das die italienische, ach so kultivierte Oberschicht grandios der Lächerlichkeit preisgibt. Nach seiner satirischen Auseinandersetzung mit dem berühmt-berüchtigten Politiker und ehemaligen italienischen Staatschef Giulio Andreotti in "Il Divo" (2009) widmet sich Sorrentino nun keinem Geringeren als Silvio Berlusconi.

Italien, Mitte 2000er-Jahre. Der selbsternannte Playboy Sergio Morra (Riccardo Scamarcio) träumt davon, reich und berühmt zu werden. Er lebt in der Provinz Apuliens und besticht die örtlichen Politiker erfolgreich mit Koks und kostenlosen Mädchen. Doch er will mehr: Er will Berlusconi kennenlernen und in der Politik mitmischen. Wie viele einfache Italiener ist auch er fasziniert von der Macht und dem Reichtum des Selfmade-Milliardärs. Nicht kleckern, klotzen!

Also macht er sich mit seiner taffen Freundin Tamara (Euridice Axen) auf nach Rom, um Berlusconi (Toni Servillo) zu treffen. Kira (Kasia Smutniak), die sich geheimnisvoll gerierende Lieblingshure von Berlusconi, soll ihm dabei helfen.

Berlusconi hingegen, trotz seiner sexuellen Eskapaden schon immer mit derselben Frau verheiratet, macht eine schwere Zeit durch: Nichts läuft mehr, man hat ihn abgewählt, die Geschäfte führen inzwischen seine Kinder, und die Gattin Veronica (Elena Sofia Ricci) ist von ihm angewidert. Außerdem macht die Angst vor dem Alter die Sache nicht einfacher. Orientierungs- und ruhelos tigert er über sein gigantisches Anwesen, hängt auf seinen protzigen Jachten ab und überlegt, wie er wieder in der Politik in Rom mitmischen könnte, während alte Verbündete ihre eigenen Intrigen spinnen.

Wie schon in "La Grande Bellezza" erzählt Sorrentino in bestechenden, grandios inszenierten Bildern von der Leere der italienischen Gesellschaft: von Emporkömmlingen wie Sergio, die einem fragwürdigen Helden wie Berlusconi nacheifern; von hübschen Mädchen, die ihre Unschuld und Würde unbedacht dem Traum von einem Leben in Reichtum und Scheinwerferlicht opfern wollen; von intriganten Machtmenschen, für die Verrat fast schon eine Tugend ist, weil am Ende doch die eigene Eitelkeit bedient werden muss.

Sorrentinos zweieinhalb Stunden dauernde Erzählung ist nicht kohärent, sondern reiht scheinbar wahllos Episoden aus Sergios trivialem Dasein und Berlusconis schwelender Depression aneinander. Wobei sich Sorrentino durchaus intensiv mit der seelischen Verfassung des alternden Tycoons auseinandersetzt, insbesondere auch mit der gescheiterten Beziehung zu seiner Frau Veronica. Grandios und auf den Punkt ist ihr Monolog, wenn sie ihm ihre Scheidungsabsichten eröffnet. Dafür sind andere Szenen redundant: die ewigen Partys, die Mädchen, der Sex - alles ist zu viel. Man versteht auch ohne das Prinzip der Wiederholung, worauf sich dieses Milieu stützt.

Toni Servillo, der schon in "Il Divo" den Politiker Andreotti und in "La Grande Bellezza" den gelangweilten Romancier gegeben hat, spielt auch den verzweifelten, dennoch ewig grienenden Berlusconi perfekt, der unter dicker Schminke und mit absurd glatt gekämmter Frisur durch sein Imperium irrt, getrieben von der Angst, ihm könnten die Felle davonschwimmen, er könnte gar vergessen werden. Seine Darsteller hat Sorrentino bravourös gewählt, besonders Riccardo Scamarcio glänzt in seiner Rolle als schmieriger kleiner Zuhälter. Was aus seinen Träumen wird, interessiert den Regisseur letztlich nicht mehr.

Es gibt keinen roten Faden, was schade ist. Trotz toller Szenenbilder und Settings, verliert "Loro" an Spannung und Kraft. Immerhin ist es ein in bester Sorrentino-Manier wuchtig inszenierter Film geworden, der eine Gesellschaft seziert, die nach Werten strebt, die keine sind.

Von Heidi Reutter