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"Gott existiert, ihr Name ist Petrunya"
Filmbewertung: ausgezeichnet
Starttermin: 14.11.2019
Regisseur: Teona Strugar Mitevska
Schauspieler: Zorica Nusheva, Labina Mitevska, Stefan Vujisic
Entstehungszeitraum: 2019
Land: NMK/F/B/SLO/HR
Freigabealter: 12
Verleih: jip film & verleih
Laufzeit: 90 Min.
Männer eiskalt abserviert
Wie die Henne im Korb sitzt sie da in der Polizeiwache einer nordmazedonischen Kleinstadt: Petrunya (Zorica Nusheva), 32, studierte Historikerin, arbeitslos. Vor allem aber: eine Frau. Genau das wird ihr als Vergehen ausgelegt. Sie hat es nämlich gewagt, bei einem lokalen Brauch in einen Fluss zu springen und nach einem geweihten Holzkreuz zu tauchen, das dem Finder ein Jahr lang Glück verspricht. Das dürfen eigentlich nur Männer, und die sind - vom Dorfproleten bis zum Pfarrer - in ihrer Ehre beleidigt. Was es bedeutet, wenn eine ganze Horde oberkörperfreier Kerle gegenüber einer Frau den Kürzeren ziehen, das kann man sich gut ausmalen: In dem tristen Balkanstädtchen, in dem "Gott existiert, ihr Name ist Petrunya" spielt, ist alles noch viel schlimmer.

Petrunyas beherzter Sprung ins kalte Wasser zeitigt einen handfesten Skandal mit wütender Meute, unheiliger Männerwirtschaft und mittelalterlichen Gewaltfantasien. Alles nur wegen einer willensstarken Frau, die einfach keine Lust mehr hat, sich dem Patriarchat demütig zu unterwerfen. Regisseurin und Co-Autorin Teona Strugar Mitevska lässt in ihrem preisgekrönten Wettbewerbsbeitrag der diesjährigen Berlinale kein gutes Haar an ihren männlichen Landsleuten. Gar keins. In aller (Über-)Deutlichkeit prangert sie die Missstände in einer Gesellschaft an, die sich in einem seltsamen Schwebezustand befindet: Hinter Traditionen versteckend, hofft Mann dort, sich nicht mit den Veränderungen auseinandersetzen zu müssen, die doch unvermeidlich sind. Auch, weil es Frauen wie Petrunya gibt.

Vor ihrem Sprung ins kalte Wasser hat Petrunya einen Tag zum Vergessen erlebt, so wie eigentlich jeder Tag in ihrem Leben ein Tag zum Vergessen ist. Von ihrer rabiaten Mutter Vaska (Violeta Shapkovska) zu einem Vorstellungsgespräch gedrängt, erfährt sie dort, dass sie zu dumm (studierte Historikerin!), zu alt (32!) und zu hässlich wäre. Nicht einmal "ficken" würde sie der Chef der Firma. Da bleibt einem als Zuschauer die Spucke weg, was in der jungen Frau vorgeht, kann man sich gar nicht ausmalen.

Den Pöbel aufgeschreckt

Dass Petrunya, die zufällig in die traditionelle Wasserweihe am orthodoxen Dreikönigstag gerät, sich dann wirklich in die Fluten stürzt und das Kreuz herausfischt, ist eher eine Übersprungshandlung. Sie ist schlicht genervt vom Leben. Dass sie mit ihrer Aktion nicht nur den männlichen Pöbel aufschreckt, sondern die gesellschaftliche Ordnung infrage stellt, wird ihr erst bewusst, als sie von ihrer eigenen Mutter als "Monster", "Schlampe" und "Dreckstück" beschimpft und an die Polizei verraten wird. In dieser wütenden Szene erzählt Regisseurin Mitevska alles über die Rolle und das Selbstverständnis der Frau und die tradierten Macht- und Hörigkeitsstrukturen in Nordmazedonien.

Einen großen Teil des zwar sehr sendungsbewussten, aber dabei ambivalent und klug erzählenden Films verbringt Petrunya in der Polizeiwache, umgeben von Männern, die entweder miteinander klüngeln, oder sie nicht ernst nehmen oder ihr drohen. Sie sitzt ruhig in ihrem Glaskasten, während die aufgeblasenen Gockel ringsherum aufgeregt durcheinander schnattern und nicht wissen, was sie tun sollen. Zeit, die Petrunya nutzt, um zu erkennen, dass sie nicht wertlos, nicht dumm, nicht hässlich ist.

"Gott existiert, ihr Name ist Petrunya" hat etwas von realer Satire. Der Film beruht auf einer wahren Begebenheit und zeigt, wie sich die Heldin mit Ruhe und Klugheit aus der Umklammerung des Patriarchats befreit und genüsslich dabei zusieht, wie die ganzen Kerle zunehmend hilfloser werden und es am Ende mit der Angst zu tun bekommen sollten. "Heute bin ich vom Schaf zum Wolf geworden", sagt Petrunya nur, bevor sie die Polizeiwache verlässt und ihr Glück nicht mehr von Kirche und Männern abhängig macht.

Von Andreas Fischer