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Ein düsteres Genie - mit einer Vorliebe für Schnecken

Für Schnecken hegte sie eine nahezu obsessive Leidenschaft, für Menschen hingegen hatte sie nur wenig übrig: Am 19. Januar wäre die US-amerikanische Bestseller-Autorin Patricia Highsmith, eine der wohl exzentrischsten und kuriosesten Persönlichkeiten des vergangenen Jahrhunderts, 100 Jahre alt geworden. Ihr literarisches Werk war Grundlage für zahlreiche Filmklassiker, darunter Alfred Hitchcocks "Der Fremde im Zug" und Wim Wenders' "Der amerikanische Freund".

Patricia Highsmith, geboren 1921 im konservativen Fort Worth, Texas, ist vor allem bekannt für ihre Geschichten über den charmanten, hedonistischen und vor allem gewissenlosen Tom Ripley. In insgesamt fünf Romanen mordet, stiehlt und lügt sich Highsmiths populärste Figur einmal quer durch Europa. Es war der französische Regisseur René Clément, der es sich schließlich im Jahr 1960 als erster zur Aufgabe machte, den "talentierten Mr. Ripley" auch auf die Kinoleinwände bringen. "Nur die Sonne war Zeuge" machte Hauptdarsteller Alain Delon über Nacht zum Star und zählt bis heute zum cineastischen Standard-Repertoire.

Ripleys Schöpferin selbst war allerdings nicht überzeugt vom Ende der Verfilmung, das stark von ihrer Romanvorlage abweicht und Delons Rolle als Mörder überführt. In Highsmiths Welt blieben Verbrechen ungeahndet, der ewige Sieg des Bösen über das Gute faszinierte sie. So ist es wenig überraschend, dass Erzählungen über die Autorin auch außerhalb ihrer Romane ein eher düsteres Bild zeichnen: Patricia Highsmith sei eine cholerische, rassistische und antisemitische Alkoholikerin gewesen, die sich stets abwertend gegenüber Homosexualität und Frauenrechtsbewegungen geäußert habe - und das, obwohl sie selbst jahrelang eine Beziehung mit einer Frau führte.

Unterwegs mit tierischer Begleitung

Umso untypischer ist Highsmiths Roman "Salz und sein Preis", den sie 1953 unter dem Pseudonym Claire Morgan veröffentlichte. Die Geschichte, deren Taschenbuchausgabe sich fast eine Million Mal verkaufte, erzählt von der lesbischen Liebe zwischen der 19-jährigen Therese und der 13 Jahre älteren Carol. Der optimistische Schluss des Liebesromans war gleich in zweierlei Hinsicht ungewöhnlich; zum einen, weil in den USA der 1950er Jahre kaum ein literarisches Werk von gleichgeschlechtlichen Beziehungen handelte, zum anderen, weil Patricia Highsmith ihren Protagonisten nur selten ein solch zuversichtliches Ende vergönnte.

Im Jahr 2015, 20 Jahre nach Highsmiths Tod, adaptierte Regisseur Todd Haynes "The Price of Salt" unter dem Titel "Carol". Rooney Mara und Cate Blanchett übernahmen die Hauptrollen in dem Werk, das 2016 bei einer Umfrage der BBC zu einem der 100 bedeutendsten Filme des 21. Jahrhunderts gewählt wurde.

Ob Patricia Highsmith diesem Erfolg noch viel abgewinnen hätte können, bleibt fraglich. Mit zunehmenden Alter wurde die Schriftstellerin immer exzentrischer: Über die Jahre hinweg entwickelte sie eine Faszination für Schnecken, die sie, gemeinsam mit einem Salatkopf, in dutzendfacher Menge in ihrer Handtasche transportierte und diese, Berichten zufolge, als Begleitung für Dinnerpartys ihren Mitmenschen vorzog. Highsmith starb am 4. Februar 1995 in Locarno.