rewirpower.de – Das Revierportal


Oscars so black
Ein Start in den Abend mit Justin Timberlake, mit der Aufforderung "Just dance, dance, dance, dance" aus seinem oscarnominierten Hit "Can't Stop the Feeling!" ("Trolls"). Der bereits auf dem roten Teppich exaltiert herumturnende Popstar sorgte auch im Saal für Zerstreuung, wo doch eine höchstpolitische Show erwartet wurde. Natürlich war auch die diesjährige Oscarverleihung eine zu großen Teilen bräsige Selbstbeweihräucherung Hollywoods. Doch Timberlakes Tanzaufforderungen konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass die betont liberale Welthauptstadt des Films durchaus etwas zu sagen hatte - vor allem, na klar, in Richtung des US-Präsidenten Donald Trump und zur letztjährigen Rassismus-Schelte gegenüber der Academy.

Die meisten Gelegenheiten, den Finger in die frischen Wunden zu legen, hatte selbstredend der Gastgeber des Abends: Jimmy Kimmel. Der 49-jährige Late-Night-Talker führte im Vergleich zu vergangenen Veranstaltungen erfrischend trocken durch den Abend, schwebte weder durch den Raum, noch packte er die Tanzschuhe aus. Er konzentrierte sich lieber auf das, was er kann: Spitzen verteilen. Mehr als 225 Länder seien live dabei, "obwohl sie uns alle jetzt hassen", begann er seinen Anfangsmonolog mit einem deutlichen Verweis auf das internationale Unverständnis für die Führung im Weißen Haus.

Das Land sei gespalten und er nicht der Mann, der es wieder zusammenzuführen könne. Seine ernst und gut gemeinte Lösung sei es aber, dass sich jeder einen Menschen schnappt, der einer anderen Meinung ist, und einfach mal mit ihm redet. Sein von Standing Ovations begleiteter Gruß an Meryl Streep, einer "highly overrated actress", wie es der US-Präsident vor Kurzem ausdrückte, sowie ein Genesungswunsch an "alle Opfer und Angehörigen in Schweden", waren gelungene Seitenhiebe Richtung Washington. Etwas Gutes habe die Präsidentschaft Trumps unterdessen: "Niemand spricht mehr darüber, dass die Oscars rassistisch sein könnten."

Apropos Rassismus: Die veranstaltende Academy schien alles dafür zu tun, die gerade im vergangenen Jahr angeklagte fehlende Diversität der Oscars von sich zu weisen. So nahmen mit Mahershala Ali und Viola Davis zwei schwarze Schauspieler die Preise als beste Nebendarsteller entgegen. "Moonlight", die dramatische Lebensgeschichte eines schwarzen Mannes in den USA, gewann am Ende des Abends überraschend den Preis als bester Film des abgelaufenen Filmjahres. Doppelt überraschend, da Warren Beatty und Faye Dunaway erst "La La Land" als Sieger ausriefen. Ein Fauxpas, wie sich herausstellte. Den "Bonnie und Clyde"-Altstars wurde der falsche Umschlag gereicht. "Wir untersuchen derzeit, wie das passieren konnte, und bedauern zutiefst, dass das vorgefallen ist", heißt es von Seiten der Academy. Der 14-mal nominierte große Favorit "La La Land" wurde insgesamt mit sechs Preisen ausgezeichnet, darunter Damien Chazelle für seine Regiearbeit und Emma Stone als beste Hauptdarstellerin.

Die große deutsche Oscar-Hoffnung "Toni Erdmann" ging derweil leer aus. Die Academy zog mit ihrer Wahl "The Salesman" auch hier eine politische Botschaft vor. Asghar Farhadi, der iranische Regisseur des Films, hatte zuvor seine Teilnahme an der Gala abgesagt. In einem Statement, dass er von der iranisch-amerikanischen Unternehmerin Anousheh Ansari verlesen ließ, griff er erneut Präsident Trumps "Muslim Ban" an, der, würde der Dekret-Entscheid noch Bestand haben, ihn ohnehin von einer Einreise abgehalten hätte. "Wer die Welt in Kategorien von 'Wir' und 'unsere Feinde' einteilt, schafft Angst", ließ Farhadi verlauten.

Von Max Trompeter