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Zeiten der Umbrüche: DOK Leipzig stiftet zur Revolution an
Man habe eine Veränderung anstoßen wollen, erklärte Programmdirektor Ralph Eue, warum sich das Internationale Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm selbst eine Frauenquote verordnet hat. 40 Prozent der Filme im deutschen Wettbewerb von DOK Leipzig sollten unter weiblicher Regie entstehen: Die Quote wurde bei der 61. Auflage des Festivals (29. Oktober bis 4. November 2018) übertroffen. Bei der Hälfte der Filme in allen offiziellen Reihen haben Frauen Regie geführt. Der Eröffnungsfilm war trotzdem eine Männerrunde: "Meeting Gorbachev" versammelt drei Schwergewichte vor und hinter der Kamera.

Werner Herzog und Co-Regisseur André Singer porträtieren in "Meeting Gorbachev" einen der bedeutendsten Männer des ausgehenden 20. Jahrhunderts. Der mittlerweile 87-jährige Michail Gorbatschow hat als sowjetischer Staatschef mit Perestroika und Glasnost das Ende des Kalten Krieges eingeläutet - und erinnert sich an die prägendsten Momente seines Lebens.

Dass ein Film über einen sowjetischen Politiker zur Eröffnung ausgewählt wurde, ist Teil der DNA von DOK Leipzig 2018. Das Festival legt ein besonderes Augenmerk auf Osteuropa und das Leben in der Post-Sowjet-Ära. Den Länderfokus richtet DOK Leipzig dabei auf Litauen: 1918 unabhängig geworden, 1940 in die Sowjetunion zwangsintegriert, 50 Jahre später erneut unabhängig geworden und 2004 Teil der ersten Osterweiterung der EU. Litauen steht gewissermaßen exemplarisch für die Suche nach Identität in Zeiten des Umbruchs und die Herausforderungen, die Freiheit mit sich bringt.

Gesellschaftliche Umbrüche, die nicht reibungslos vonstattengehen, ist freilich kein osteuropäisches Alleinstellungsmerkmal. Von Migration und Digitalisierung sind Menschen auf der ganzen Welt betroffen. "Fordert das Unmögliche!" lautet das Motto des Festivals - die etwa 300 Filme aus 50 Ländern sollen den Aufstand proben, sie setzen sich mit Hoffnungen und Ängsten auseinander, thematisieren Extremismus und Terror, schauen sich mit besonderem Blick (Handyvideos) in Krisenregionen (Syrien) um und erkunden den neuen digitalen Lebensraum, in dem sich die Menschen häuslich einrichten.

"Es ist bewundernswert, wie mutig die Filmemacher und Filmemacherinnen in diesem Jahrgang sind", lobte Festivalleiterin Leena Pasanen schon im Vorfeld. Für einen kritischen Blick auf die Welt, die lebenswert bleiben soll, "finden die jungen Regisseure und Regisseurinnen neue kreative Konzepte, wie sie ihre Geschichten filmisch erzählen können." Zu diesen Konzepten etwa gehört DOK Neuland - eine interaktive Ausstellung, in der Virtual-Reality-Beiträge, 360-Grad-Filme und ein Smartfilm, der sich mit Künstlicher Intelligenz immer wieder neu schneidet, laufen.

Von Andreas Fischer