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Berlinale 2019: Goldener Bär für israelischen Film "Synonyme"
Nadav Lapids vielschichtiges Drama "Synonyme" wurde auf der 69. Berlinale mit dem Hauptpreis ausgezeichnet. Eine Überraschung ist der Goldene Bär für "Synonyme" nicht, beschäftigt der Film sich doch mit einem zeitgemäßen Thema in politischem Kontext, was auf der Berlinale traditionell gut ankommt. Nadav Lapid erzählt, mit autobiografischen Anleihen, von der Schwierigkeit, neue Wurzeln zu schlagen. Schon während des Festivals galt der Film über einen Israeli, der nach Paris auswandert und dort seine Herkunft hinter sich lassen will, als Favorit.

16 Wettbewerbsfilme waren ins Rennen um den Goldenen und die Silbernen Bären gegangen, nachhaltigen Eindruck hinterließ kaum einer. Eine Ausnahme war "Piranhas" von Claudio Giovannesi. Der Film über eine Handvoll Jugendliche, die in Neapel zu Mafiagrößen aufsteigen und ein ganzes Viertel übernehmen, basiert auf einem Roman von "Gomorrha"-Autor Roberto Saviano und gewann den Silbernen Bären für das beste Drehbuch. Der Film war ein Lichtblick in einem Wettbewerb, der künstlerisch nicht auf allerhöchstem Niveau stand, trotzdem aber für Diskussionen sorgte.

Darf Netflix das?

So wurde Isabel Coixets "Elisa y Marcela" als Nestbeschmutzer betrachtet: Der Film wurde von Netflix produziert und durfte trotzdem im Berlinale-Palast das ganz große Publikum erreichen. Das passte Kinobetreibern nicht, weil ihnen die Streamingdienste ohnehin schon schwer zu schaffen machen. Und das passte auch puristischen Journalisten nicht, für die Film auch nur im Kino stattfinden darf.

Dabei tat der in funkelndem Schwarzweiß gedrehte Film alles, um gegen den Argwohn anzukämpfen. Poetisch und fantasievoll erzählt Coixet von der Liebe zweier Frauen im erzkatholischen Spanien des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Was aussieht wie ein magisches Märchen ist im Prinzip eine ziemlich zeitgenössische Angelegenheit - die beiden Protagonistinnen kämpfen gegen einen Mob Ewiggestriger, finden aber auch die guten Menschen, die ihnen eine gemeinsame Zukunft ermöglichen.

Der Film, der nicht gezeigt wurde

Für die größte Kontroverse sorgte ein Film, der gar nicht gezeigt wurde. Der chinesische Beitrag "One Second" von Zhang Yimou wurde kurz vor dem Screening offiziell aufgrund "technischer Probleme" zurückgezogen. Dass Peking die Hand im Spiel gehabt haben könnte, galt vielen Journalisten und Brancheninsidern als offenes Geheimnis. Die Zensurbestimmungen in China sind vor kurzem verschärft worden, und dass sich Zhang Yimou (Goldener Bär für "Rotes Kornfeld", 1988) in seinem neuen Film ausgerechnet mit der Kulturrevolution unter Mao Zedong kritisch auseinandersetzt, dürfte die Behörden kaum dazu veranlasst haben, Milde walten zu lassen.

Bei allem Ärger aus Fernost - es wurde noch ein zweiter Film aus China während des Festivals zurückgezogen - konnte sich Berlinale-Chef Dieter Kosslick in seinem letzten Dienstjahr über zwei Silberne Bären für deutsche Produktionen freuen. Angela Schanelec gewann den Silbernen Bären für die beste Regie: Die 57-jährige Filmemacherin hatte mit der spröden Inszenierung von "Ich war zuhause, aber" für heftige Diskussionen gesorgt. "Systemsprenger", der Debütfilm von Nora Flingscheidt, gewann den "Alfred-Bauer-Preis" für neue Perspektiven in der Filmkunst. Fatih Akins Serienmörder-Farce "Der goldene Handschuh", der dritte deutsche Beitrag im Wettbewerb, ging leer aus.

Der Silberne Bär "Großer Preis der Jury" ging an François Ozon. Der französische Filmemacher setzt sich in "Gelobt sei Gott" mit einem aktuellen Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche in Frankreich auseinander. Die Silbernen Bären für die beste Schauspielerin und den besten Schauspieler gewannen Yong Mei und Wang Jingchun, die im epischen "So long my son" ein durch die Ein-Kind-Politik verursachtes Trauma verarbeiten müssen - mit dem Segen der chinesischen Zensurbehörde. Für eine herausragende künstlerische Leistung in einer technischen Kategorie gewann der dänische Kameramann Rasmus Videbæk den Silbernen Bären für seine Arbeit in Hans Petter Molands "Pferde stehlen".

Von Andreas Fischer