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Ulrich Tukur
Spiele lieber ungewöhnlich
Er ist einer der gefragtesten deutschen Charakterdarsteller überhaupt, seit mehr als drei Jahrzehnten ist er aus anspruchsvollen TV- und Kinoproduktionen nicht mehr wegzudenken: Ulrich Tukur, der widersprüchliche Intellektuelle, der facettenreiche Querdenker, wird am 29. Juli 60 Jahre alt.

Allein mit seinem Wiesbadener "Tatort"-Kommissar Felix Murot sorgte Tukur beim Über-Format des deutschen TV-Krimis in den letzten Jahren für außergewöhnliche künstlerische Impulse - die in der Tat nicht jedem konventionell Denkenden gefielen. Und doch ist der in Südhessen geborene Schauspieler, der auch als Musiker mit seiner Band Rhythmus Boys zu überzeugen weiß, hierzulande überraschenderweise eine Art Superstar.

In seiner Rolle als RAF-Terrorist Andreas Baader gelang ihm 1986 mit "Stammheim" der Durchbruch; es folgten historische Rollen wie die des Dietrich Bonhoeffer und gar ein Hollywood-Part in Steven Soderberghs "Solaris" (2002). Endgültig in die Herzen des Publikums spielte sich der in Venedig und der Toskana lebende Kosmopolit 2006 mit seiner Darstellung des Stasi-Leutnants Anton Grubitz im oscarprämierten Drama "Das Leben der Anderen".

Neben seiner experimentellen "Tatort"-Rolle spielte Tukur seitdem in vielfältigen Werken wie Hanekes "Das weiße Band", Dietls "Zettl" und dem Zoologen-Biopic "Grzimek". Als nächstes ist der Ausnahmeschauspieler im Kino in Fatih Akins "Aus dem Nichts" zu sehen - Kinostart ist am 23. November.

Zur Vollendung seines 60. Lebensjahres am 29. Juli widmet der ARD-Spartensender ONE Ulrich Tukur nun einen ganzen Abend. Als ersten von drei Filmen, in denen er die Hauptrolle spielt, zeigt der Kanal um 20.15 Uhr das Drama "Houston" von 2015, in dem Tukur einen Headhunter spielt, dessen Leben und Ehe langsam am Alkohol zu zerbrechen droht. Anschließend, um 22.00 Uhr, läuft Caroline Links Familiendrama "Exit Marrakech" um einen Vater, der seinen Sohn in Marokko sucht. Abgeschlossen wird die filmische Würdigung um 23.55 Uhr mit "Das Vaterspiel", das Tukur als einen Juden zeigt, der zum wichtigen überlebenden Zeugen eines NS-Massakers wird. ONE zeigt mit seiner Filmauswahl drei sehenswerte Tukur-Werke, die allesamt die darstellerische Vielfältigkeit des Jubilars illustrieren.

Und wie geht es weiter mit dem Murot-"Tatort"? Zwei Filme, ließ Tukur schon durchblicken, wird es auf jeden Fall noch geben. "Und mindestens einer von ihnen wird alles toppen, was wir jemals abgeliefert haben", gab der Star zu Protokoll. Versteht sich, dass er das Renommierformat weiterhin als Experimentierbühne zu nutzen gedenkt: Der kunstsinnige Schauspieler, der bereits als er selbst seiner Ermittlerfigur Felix Murot begegnete ("Tatort: Wer bin ich?", 2015), drehte nun unter dem Arbeitstitel "Murot und das Murmeltier" in Frankfurt und Umgebung einen "Tatort", der offenbar die Variation eines der großen Komödienklassiker Hollywoods ist: "Und täglich grüßt das Murmeltier". Wie Bill Murray im Kino-Vorbild aus dem Jahr 1993 durchlebt der Wiesbadener LKA-Mann Murot denselben Tag immer wieder aufs Neue: Er wird zu einem Banküberfall mit Geiselnahme gerufen, wird erschossen, wacht schweißgebadet zu Hause auf und wird zu einem Banküberfall mit Geiselnahme gerufen ... "Murot fürchtet um seinen Verstand", heißt es folgerichtig in einer Ankündigung des Hessischen Rundfunks. Nicht dass die konservativeren "Tatort"-Fans wieder in großer Vielzahl um ihre Nerven fürchten. Ein Sendetermin für den surrealen Krimischwank steht noch nicht fest. Ausgedacht hat sich das Ganze Dietrich Brüggemann, der auch Regie führt und seine Frau Anna für eine der Episodenhauptrollen besetzte.

Von Maximilian Haase