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Rachel Brosnahan
Die Macht des Nein
Es steckt eine kleine Ironie dahinter: Rachel Brosnahan, bekannt geworden durch das in der MeToo-Debatte angeschlagene Netflix-Flaggschiff "House of Cards", feiert ihren Durchbruch mit einer Serie der Konkurrenz über weibliches Empowerment im Entertainmentbetrieb. Für ihre Hauptrolle in der prämierten Amazon-Dramedy "The Marvelous Mrs. Maisel" (ab 26.1. auf Deutsch) als Hausfrau, die sich in den patriarchalen 50er-Jahren als Stand-up-Komikerin durchkämpft, erhielt die 27-Jährige kürzlich einen Golden Globe. Mit Charme und Verve versteht es die US-Amerikanerin, gegen die sexistischen Zustände heute vorzugehen. Ein Gespräch über ihre Großmutter und weibliche Comediennes, über MeToo und Kevin Spacey - und darüber, was sich ändern muss.

Rewirpower: Sie waren bislang nicht für komödiantische Rollen bekannt - wie bereiteten Sie sich auf Ihren mit dem Golden Globe prämierten Part als Comedienne in "Mrs. Maisel" vor?

Rachel Brosnahan: Ich recherchierte sehr viel - über jenes Jahrzehnt im Allgemeinen, aber vor allem über die damalige Comedy. Da gab es eine Komikerin namens Jean Carroll, die höchstwahrscheinlich der erste weibliche Stand-up-Comedian war. Von ihr fand ich Auftritte, die bis ins Jahr 1955 zurückreichen. Auch hatte ich selbst nie Comedy gemacht; in diese Welt wollte ich eintauchen. Daher schaute ich mir in New York viel Stand-up an - egal ob Amateure oder Etablierte.

Rewirpower: Fanden Sie während der Recherchen einen Lieblings-Comedian?

Brosnahan: Ich liebe Joan Rivers - ihre Arbeit war bahnbrechend. Sie sagte damals Dinge, die man sich vorher nicht zu sagen getraut hätte, machte sich viele Freunde, aber auch viele Feinde. Ich verehre sie sehr.

Rewirpower: Die Frauen in jener Zeit entstammten der Generation Ihrer Großmütter. Dachten Sie dabei auch an die Geschichte Ihrer Familie?

Brosnahan: Meine Großmütter leben leider nicht mehr. Aber von meiner Oma väterlicherseits nahm ich viel mit. Sie war mutig und frech; eine fabelhafte Frau mit jeder Menge Meinung, die sie definitiv kundtat. Ein wenig erinnerte mich die Hauptfigur an sie, beide besitzen einen ähnlichen Charakter. Ich schaute mir viele ihrer alten Fotos an - eine große Inspiration. Zwar wollte sie eine Vorzeigefrau ihrer Zeit sein, mit Vorzeigefamilie - aber in vielen Punkten war sie sehr progressiv. Sie sagte, wenn sie etwas störte; sie glaubte an Integration - vor allem im damaligen Kansas war das wirklich fortschrittlich.

Rewirpower: In Sachen Frauenrechten hat sich seither viel getan. Müssen wir an der Gleichberechtigung dennoch weiter arbeiten?

Brosnahan: Die Antwort ist ein lautes "Ja!". Beim Dreh wurde mir zugleich offenbar, wie weit wir schon gekommen sind - und wie weit eben noch nicht. Noch immer muss man kritisch fragen, was es bedeutet, als Frau in dieser Welt zu leben. Noch immer sind es polarisierende Fragen, die etwa in Stand-up-Comedy und in Serien verhandelt werden.

Rewirpower: Auf Ihrem Twitter-Profil sieht man ein Foto von Peggy aus "Mad Men". Warum näherten sich in den letzten Jahren viele Serien historischen Figuren?

Brosnahan: Weil sie uns und unserer Zeit den Spiegel vorhalten. Das macht historische Serien interessant. Leider ist es aber so, dass die meisten davon noch immer von Männern für Männer über Männer erzählen. Das ist in "Mrs. Maisel" anders: Eine Frau steht im Zentrum, die Geschichte wird von einer Frau erzählt, und das für alle.

Rewirpower: Im Zuge der MeToo-Debatte wurde derlei viel diskutiert. Sie selbst spielten in "House of Cards" mit. Haben Sie Kevin Spacey negativ erlebt?

Brosnahan: Ich persönlich hatte mit Kevin Spacey kaum Kontakt am Set. Persönlich kann ich darüber also nicht viel sagen - "House of Cards" war für mich eine tolle Erfahrung, die mein Leben änderte. Deshalb war ich sehr enttäuscht und bestürzt, als ich von den Anschuldigungen hörte.

Rewirpower: Hat Sie das überrascht?

Brosnahan: Dass derlei Dinge in der Branche geschehen, war keine Neuigkeit für mich. Ich bin aber froh, dass diese mutigen Frauen und Männer an die Öffentlichkeit gegangen sind - und dass wir eine sehr schwierige Debatte darüber führen. Wir müssen füreinander Verantwortung übernehmen und dadurch einen anhaltenden Wandel bewirken, den wir seit langer Zeit dringend nötig haben.

Rewirpower: Wie soll dieser Wandel genau aussehen?

Brosnahan: Ich wünsche mir mehr Frauen in einflussreichen Positionen mit Macht und Autorität. Die Branche wird und wurde immer von weißen Hetero-Männern gesteuert. Da brauchen wir jede Menge andere Leute, die genauso fähig und intelligent sind; mehr Leute, die wichtige Dinge zu sagen haben. Wir brauchen auch mehr Frauen und mehr People of Color bei den Drehbuchautoren, in der Regie und Produktion, hinter der Kamera, im Schnittraum. Das würde zu mehr authentischem Geschichtenerzählen führen, zu Geschichten, die näher an der tatsächlichen Wirklichkeit sind. Auch um diese Wirklichkeit, in der wir leben, zu beeinflussen.

Rewirpower: Können Sie als junge Schauspielerin fortschrittlichere Projekte wählen und andere ablehnen?

Brosnahan: Je länger man dabei ist, desto mehr hat man die Freiheit, auszuwählen. Ich habe das Glück, mehr Kontrolle darüber zu haben, als je zuvor. Das sind Dinge, die man individuell lernen muss: Die Macht des Nein; klarzumachen, was man will, was man akzeptiert und was nicht. Es ist schwierig und erfordert Mut. In den letzten Jahren lernte ich in dieser Hinsicht viel. Für mich ist es wichtig, mit mehr Frauen zusammenzuarbeiten - und hoffentlich bald auch eigene Projekte zu realisieren.

Rewirpower: Haben Sie bereits konkrete Pläne?

Brosnahan: Habe ich - aber die sind noch nicht soweit, dass ich sie teilen könnte.

Von Maximilian Haase