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Paula Kalenberg im Interview
"Ich verwirre die Leute immer ein wenig"
Oberflächlichkeiten im Filmgeschäft? Für Paula Kalenberg eine Tatsache, an die sie sich bereits von Jugendjahren an gewöhnen konnte. Schon mit 14 hatte sie ihre ersten Auftritte in Film und Fernsehen. Seither lernte die gebürtige Dinslakenerin, die sich über die 2019 anstehende "Volljährigkeit" ihrer Karriere diebisch zu freuen weiß, das Business-Blingbling mit allen Vor- und Nachteilen einfach als eine weitere Rolle zu betrachten. Die Ambivalenz des Oberflächlichen behandelt auch der neue Film der 32-Jährigen, die 2006 mit "Die Wolke" ihren Durchbruch feierte: In der ARD-RomCom "Song für Mia" (Samstag, 16. Februar, 20.15 Uhr) spielt die vielseitige Darstellerin eine junge Frau, die einen plötzlich erblindeten Yuppie-Hipster Demut in Sachen Liebe lehrt. Warum auch derlei Frauenrollen heutzutage das Abgründige zeigen sollten, weshalb ihr der für Social-Media notwendige Narzissmus abgeht und wieso man den Rechten keine große Aufmerksamkeit geben sollte, erklärt Paula Kalenberg im Interview.

"Wir sollten den Rechten nicht so viel unserer Energie geben"

Rewirpower: In Ihrem neuen Film geht es viel um unseren oberflächlichen Blick. Ist das bei Ihnen als Schauspielerin privat ein wichtiges Thema?

Paula Kalenberg: Bei mir schlägt sich das nicht so sehr aufs Privatleben. Wenn ich etwa zu Veranstaltungen gehe und mich dafür richtig hardcore aufbrezel, dann mache ich das vor allem als eine Art Arbeits-Ich. Wie manche zur Arbeit einen Blaumann tragen, ziehe ich die High Heels an und das Glitzerkleidchen und trage das Make Up auf. Für mich habe ich das wie eine weitere Rolle eingestuft.

Rewirpower: Und bei Ihnen zu Hause?

Kalenberg: Da trage ich die eher die normalo Klamotten (lacht). Beides hat überhaupt nichts miteinander zu tun. Das ist auch in anderen Bereichen so: Wenn ich diesen Job nicht hätte, gäbe es mich wohl auch nicht in den sozialen Medien.

Rewirpower: Warum nicht?

Kalenberg: Ich glaube, es braucht für einen engagierten Social-Media-Auftritt diesen gesunden Anteil Narzissmus und Exhibitionismus. Das habe ich nicht. Bei mir gibt es nicht den Impuls, bevor ich meinen Kaffee trinke, ihn zu fotografieren. Wenn ich einen Chia-Pudding esse, dann denke ich nicht darüber nach, dass dieser Pudding so schön ist, dass ich ihn mit der Welt teilen möchte. Oder gar, damit die Welt denkt, dass ich mich extremst gesund ernähre und dann mampfe ich heimlich Nutellabrote.

Rewirpower: Jemandem etwas vorzuspielen, wollten Sie lieber im professionellen Bereich belassen?

Kalenberg: Für mich war das lange Zeit ein Widerspruch zu meinem Job. Damit habe ich mich aber mittlerweile angefreundet. Inzwischen sehe ich das als einen Teil der Arbeit an. Da gibt es eine klare Grenze.

Rewirpower: Trotzdem haben Sie sich in den sozialen Medien auch schon politisch geäußert - etwa mit dem Bild eines zerschlagenen Hakenkreuzes.

Kalenberg: Ja, ich tu mich immer etwas schwer, öffentlich politisch Stellung zu beziehen. Ich habe immer ein wenig Schiss, dass das in diesem narzisstisch-egozentrischen Instagram-Universum die gleiche Wertigkeit bekommt wie ein Fashion-Post oder ein Foto von einem Latte Macchiato. So ist es dann irgendwie schick, politisch zu sein. Eigentlich denke ich, dass es die falsche Plattform dafür ist.

Rewirpower: Aber?

Kalenberg: Aber in dem Fall war ich wütend und eine gesunde Portion verzweifelt darüber, dass eine aus meiner Sicht zu weiten Teilen rechtsradikale Partei im Bundestag gelandet ist. So eine Art: Ich halt es nicht aus!

Rewirpower: Waren Sie dahingehend auch an anderer Stelle politisch aktiv?

Kalenberg: Auf Demos gegen die AfD war ich. Auch auf der großen "Unteilbar"-Demo - das war ein positives Gefühl, mal für etwas zu demonstrieren. Für eine weltoffene Gesellschaft. Ging es doch sonst nur immer aggressiv gegen "die" als Feindbild, zeigte diese Demo, dass wir mehr sind und eigentlich auch keine Angst und Wut haben müssen. Wir sollten den Rechten gar nicht so viel unserer Energie geben.

Rewirpower: Aber die Sorgen kommen ja nicht von ungefähr …

Kalenberg: Ja, aber wir sollen unsere Kraft nicht auf Björn Höcke verschwenden. In letzter Zeit denke ich etwa viel darüber nach, wie mich die Schule geprägt hat. Da muss man ansetzen. Ich würde heute gern einmal Mäuschen spielen im Geschichtsunterricht - da werden ja Themen wie der Kolonialismus oft ausgeklammert, was europäische Länder in der Welt über Jahrhunderte für Leid verursacht haben - was sich jetzt wiederum auf die Fluchtwellen auswirkt. Die einst Kolonialisierten suchen jetzt Zuflucht im Wohlstand Europas. Diese großen Zusammenhänge fehlen mir in unserer Bildungspolitik, aber auch in unseren Alltagsmedien. Es geht mir um eine komplexe Debatte über unsere geschichtliche und wirtschaftspolitische Verantwortung. Wenn wir heute über Flüchtlinge reden, dann reden wir viel über so etwas wie Kopftücher. Wenn es bei Maischberger zum x-ten Mal um ein Burka-Verbot geht, dann ist das aus meiner Sicht fehlgeleitet. Mir ist es ehrlich gesagt scheißegal, was eine Frau auf dem Kopf trägt, das ist einzig und allein ihre Entscheidung.

"Meine Karriere wird in diesem Jahr volljährig"

Rewirpower: Vor der Kamera stehen Sie schon seit Sie 14 waren ...

Kalenberg: Meine Karriere wird in diesem Jahr volljährig, habe ich ausgerechnet!

Rewirpower: Na dann Glückwunsch!

Kalenberg: Danke, ab jetzt kommen die wirklich reifen Filmangebote (lacht).

Rewirpower: Inwiefern haben sich denn seit Ihrem Durchbruch mit "Die Wolke" die Angebote verändert?

Kalenberg: Ich glaube, ich verwirre die Leute immer ein wenig. Die wussten mich weder alterstechnisch so richtig einzuordnen, noch vom Typ her. Ich habe mich äußerlich viel verändert und in sehr unterschiedlichen Genres gespielt. Vielleicht schützt mich das aber auch davor, in eine Schublade gesteckt zu werden. Ich bekomme tatsächlich Rollenanfragen für die 20-Jährige wie für die 35-Jährige. Die wissen nicht wohin mit mir (lacht)!

Rewirpower: Ihre neue Hauptfigur in "Song für Mia" soll ja auch 24 sein …

Kalenberg: Ja, inzwischen schmeichelt mir das auch. Als ich so 16 oder 17 war, wollte ich einfach nur in den Club reinkommen. Das schlägt jetzt um - es ist manchmal gar nicht so schlecht, jünger auszusehen.

Rewirpower: Womit wir beim Klassiker wären: Frauenfiguren im Film - ein problematisches Verhältnis?

Kalenberg: Klar, auch bei "Song für Mia" muss man sich ja fragen, wie meine Figur angelegt sein soll. Immerhin geht es wieder mal um die zweite Rolle neben einem starken Hauptdarsteller. Er macht viel durch, sie hat hingegen kaum eine Biographie. Wie macht man das dann? Ist sie dann nur das lustige kleine Mädchen, das nett ist und sich kümmert? Oder darf sie auch egoistisch und nervtötend sein - und den Leuten im Film zwischendurch auf den Sack gehen?

Rewirpower: Was passiert, wenn sie das nicht darf?

Kalenberg: Es sind etwas unangenehmen Eigenschaften, die eine Figur für mich erst zum Menschen machen. Und in vielen Frauenrollen, die mir so angeboten werden, ist das eben nicht möglich.

Rewirpower: Das war bei "Mia" anders? Der Film basiert ja auf dem Original aus Schweden.

Kalenberg: Ja, ich durfte in Absprache mit Regisseurin Mia Thiel dieser Figur, die nur als Gutmensch angelegt war, Ecken und Kanten geben. Ich wollte, dass sie nicht das nette Mädchen von nebenan ist, sondern auch dunkle Seiten besitzt. Vom Original mussten wir uns ohnehin früh lösen, um nicht in die Verlegenheit zu kommen, dass man als Darsteller immer darauf schaut, wie die das denn gespielt haben. Um nicht befangen zu sein.

Rewirpower: Gemeinsam mit Tim Oliver Schultz spielten Sie bereits vor fünf Jahren in "Systemfehler - Wenn Inge tanzt" die Hauptrollen. Machte es den Einstieg einfacher?

Kalenberg: Wir fanden das beide mega lustig, dass wir das angeboten bekamen. Musik spielt wieder eine große Rolle. Aber es war uns beiden wichtig, dass wir nicht schon wieder so aussehen und spielen wie damals (lacht).

Von Maximilian Haase