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Francis Ford Coppola zum 80. Geburtstag
Der in die Finsternis blickte
"Natürlich braucht man Energie und Enthusiasmus in diesem Geschäft. Das Wichtigste aber ist der Mut", hat Francis Ford Coppola einmal gesagt. Und Mut hatte der Filmemacher, der am 7. April das 80. Lebensjahr vollendet. Mut zu ganz großen Filmen, Mut, sich an den Kommerz zu verkaufen, und Mut, auch nach einem Flop wieder aufzustehen. Und es braucht wohl eine gehörige Portion Mut, wenn sich Coppola jetzt, fast ein Jahrzehnt nach seinem letzten Film, an eines seiner ambitioniertesten Projekte wagt.

Er wolle noch in diesem Jahr mit den Arbeiten zu "Megalopolis" beginnen, verriet er vor wenigen Tagen erst dem Magazin "Deadline". Vor Jahren schon wollte Coppola "Megalopolis" drehen, eine Geschichte über die Stadt New York, die nach einer Katastrophe aus den Ruinen wieder aufersteht. Doch dann kam der 11. September 2001, die Katastrophe war real geworden, und das Projekt lag auf Eis. "Megalopolis" solle "episch" werden, "eine sehr große Produktion mit einer großen Besetzung", so Coppola jetzt.

Manch einer mag aus dieser Ankündigung jenen Größenwahn herausgehört haben, den man Coppola nachsagt, seit er in den 70er-Jahren mit "Apocalypse Now" den vielleicht wirklich größenwahnsinnigsten Film aller Zeiten drehte. "Apocalypse Now", Coppolas sehr freie Adaption von Joseph Conrads Erzählung "Herz der Finsternis", erzählt von Wahnsinn des Vietnamkrieges. Coppola schickt Martin Sheen als Captain Willard auf eine fiebrige Odyssee in den Dschungel, wo er den abtrünnigen, scheinbar wahnsinnig gewordenen Colonel Kurtz (Marlon Brando) finden und töten soll. "The horror, the horror", stammelt Kurtz ganz zum Schluss, davor lässt Coppola vom Hubschrauber aus vietnamesische Dörfer in Schutt und Asche legen, während Wagners Walkürenritt aus gigantischen Lautsprechern Unheil verkündet.

Die Kritik reagierte zunächst verhalten auf "Apocalypse Now", heute gilt der Film als einer der besten aller Zeiten. Anteil daran hat wohl auch die Entstehungsgeschichte des Films, den Coppola Jahre später in seiner dreieinhalbstündigen "Redux"-Version erneut in die Kinos brachte. Nach zwei Wochen Drehzeit tauschte der Regisseur seinen Hauptdarsteller Harvey Keitel gegen Martin Sheen aus, der wenig später einen Herzinfarkt erlitt. Immer wieder wurde das Set zerstört, die Dreharbeiten zogen sich über Monate hin. "Der Film handelt nicht vom Vietnamkrieg. Er ist Vietnam", sagte Coppola, als er "Apocalypse Now" schließlich 1979 in Cannes präsentierte. "Wir waren im Dschungel. Wir waren zu viele. Wir hatten Zugriff auf zu viel Geld, zu viel Ausrüstung - und nach und nach wurden wir wahnsinnig." Die Dokumentation "Hearts of Darkness" erzählt von diesem filmischen Irrsinn.

Vom B-Movie zum "Paten"

Francis Ford Coppola kam 1939 in Michigan als Sohn des Komponisten Carmine Coppola und dessen Frau Italia zur Welt. Als Kind, nach einer schweren Polio-Erkrankung, bekam er seine erste Kamera geschenkt - der Grundstein nicht nur für seine eigene Karriere, sondern auch für die einer ganzen Dynastie: Coppolas Frau Eleanor, die er 1963 heiratete, sollte Dokumentarfilme drehen und als 80-Jährige ihren ersten Spielfilm. Seine Neffen Nicolas Cage und Jason Schwartzmann wurden Hollywood-Stars, Sohn Roman Regisseur und Tochter Sofia eine der wichtigsten Filmemacherinnen der Gegenwart.

Francis Ford Coppola begann, nachdem er zuvor Film studiert hatte, als Assistent von Roger Corman, einem Meister des B-Movies. "The Terror - Schloss des Schreckens" mit dem noch unbekannten Jack Nicholson in der Hauptrolle, war 1963 sein erstes großes Projekt. Es folgten Filme, die heute fast vergessen sind. Der Horrorthriller "Dementia 13" etwa oder das Musical "Der goldene Regenbogen", bei dessen Dreh er George Lucas kennenlernte. Mit Lucas, der später "Star Wars" machte, verbindet Coppola seitdem eine enge Freundschaft. Gemeinsam gründeten sie 1969 die unabhängige Produktionsfirma American Zoetrope, die unter anderem Lucas' Erstling "THX 1138" produzierte.

Drei Jahre später, 1972, drehte Coppola "Der Pate". Sergio Leone und andere hatten zuvor abgesagt, den Roman von Mario Puzo zu verfilmen. Coppola, erst 33 Jahre alt, wagte sich an das Werk. Und er wollte klotzen, nicht kleckern. Ein Epos schwebte ihm vor, das die Geschichte einer Mafiafamilie über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten erzählte und viele Millionen kosten würde. Er, der zuvor nur kleine Filme gedreht hatte, wollte den ganz großen Wurf hinlegen. Und es gelang ihm.

"Der Pate" und seine Fortsetzung (1974) gelten heute als zwei der besten Filme aller Zeiten. Nur der dritte Teil, mit einigem Abstand erst 1990 gedreht, war etwas schwach. In ganz großen Bildern ("der beste Werbespot für die Mafia, der je gedreht wurde", urteilte einst ein Experte für organisiertes Verbrechen) erzählen die Filme vom Aufstieg und Fall des New Yorker Mafiapaten Don Vito Corleone (Marlon Brando) und dessen Sohn Michael (Al Pacino). Vier seiner fünf Oscars (den fünften erhielt er für das Drehbuch zu Franklin J. Schaffners "Patton - Rebell in Uniform") brachten ihm die ersten beiden Teile der Mafia-Trilogie ein. "Der Pate" war gewaltig und steht heute wie ein Monolith in der Geschichte des Kinos.

Coppolas "Fenster zum Hof"

Was das eigentlich ist - das Kino, das Filmemachen - erforschte Coppola in seinem grandiosen Thriller "Der Dialog", den er zwischen den ersten beiden Teilen des "Paten" drehte und der heute gerne übersehen wird. Der Film mit Gene Hackman als Abhörspezialist Harry Caul ist an der Oberfläche ein Werk über Überwachung und Paranoia, aber auch eine Reflexion über das Kino - über Ton und Kamera, über Ausschnitt und Details. Schon in der ersten Einstellung, als eine Überwachungskamera den Union Square in San Francisco absucht, fühlt man sich an Hitchcocks "Das Fenster zum Hof" erinnert.

Die 70er-Jahre, als Francis Ford Coppola "Der Pate" drehte, "Der Dialog" und schließlich "Apocalypse Now", waren das Jahrzehnt der Meisterwerke des Filmemachers. Nie wieder sollte er zu einer solchen Größe zurückfinden. Der Liebesfilm "Einer mit Herz" von 1982 ist heute zu Recht vergessen, das Kostümdrama "Cotton Club" floppte wenig später, der Highschool-Film "Peggy Sue hat geheiratet" (1986) lässt kaum mehr Coppolas Handschrift erkennen. Im selben Jahre starb sein Sohn, Gian-Carlo, bei einem Bootsunfall.

"Der Pate III" drehte Coppola 1990 nur, weil er in finanziellen Nöten steckte, und seine Vampirromanadaption "Bram Stoker's Dracula" war schließlich ein Kniefall vor den Konventionen Hollywoods. Der mit Anthony Hopkins, Keanu Reeves und Gary Oldman besetzte Gruselfilm gewann drei Oscars, aber die richtige Balance zwischen künstlerischem Anspruch und finanziellem Erfolg fand Coppola nie wieder. Als Produzent - etwa von Akira Kurosawas Historienepos "Kagemusha" oder Godfrey Reggios Bilderreigen "Koyaanisqatsi" - aber war er ungebrochen erfolgreich.

Mit Regiearbeiten wie dem schwierigen Film "Jugend ohne Jugend" (1997) oder dem wunderbar altmodischen "Twixt - Virginias Geheimnis" (2011) legte Coppola Spätwerke vor, die frei waren von allen Zwängen - von den Zwängen Hollywoods, aber auch vom Zwang, um jeden Preis erfolgreich sein zu müssen. Überhaupt, so hatte man in den letzten Jahren bisweilen den Eindruck, interessierte ihn das Filmemachen immer weniger. Während seine Tochter Sofia "The Virgin Suicides" und "Lost in Translation" drehte, widmete sich Francis seinen Weingütern. Schon 1975, nach dem Erfolg von "Der Pate", hatte er sich im kalifornischen Napa Valley ein erstes Stück Land gekauft. Heute, so heißt es, verdient er mit teurem Chardonnay mehr als mit dem Filmemachen.

Von Sven Hauberg