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Kanadische Schauspiellegende
Christopher Plummer ist tot: Der Mann, der 80 Jahre auf den Oscar warten musste
Man sollte meinen, wer im erfolgreichsten Film der damaligen Zeit mitspielte, sei stolz auf seine Rolle. Christopher Plummer aber schämte sich jahrzehntelang für seine bekannteste Rolle - so sehr, dass er "The Sound of Music" immer nur als "diesen Film" bezeichnete. "Fürchterlich" und "sentimental" sei der Film, der im Deutschen den Titel "Meine Lieder - meine Träume" trägt und 1965 in die Kinos kam. In einer der bekanntesten Szenen der Musicalverfilmung sitzt Plummer als Kapitän von Trapp auf dem Boden eines gemütlichen österreichischen Wohnzimmers, auf dem Schoß eine Gitarre, und dann singt er: "Edelweiss, Edelweiss, every morning you greet me", nur dass es bei ihm klingt wie "Edelweisch". Ein bisschen versteht man da, warum Plummer diesen Film, der seit Jahrzehnten vor allem amerikanische Touristen zu den Originalschauplätzen in Salzburg und Umgebung treibt, nicht leiden konnte. Erst viele Jahre später versöhnte er sich mit der Rolle.

Plummer kam 1929 in Toronto zur Welt. Er entstammte einer wohlhabenden, angesehenen Familie. Die Mutter war Künstlerin, der Vater ein erfolgreicher Geschäftsmann, der Urgroßvater gar kanadischer Premierminister. Schon als Jugendlicher entwickelte er eine Leidenschaft fürs Theater, stand bald regelmäßig am Broadway auf der Bühne und spielte in Kanada und London Shakespeare-Stücke. Als Plummer 1958 seinen ersten Kinofilm drehte (Sidney Lumets Drama "Stage Struck", mit Henry Fonda), war er bereits ein gefeierter Schauspielstar. Sein zweiter Film, "Wind Across the Everglades", hatte im selben Jahr mit massiven Problemen zu kämpfen (Regisseur Nicholas Ray wurde am Set gefeuert) - vielleicht deshalb machte Plummer anschließend einen großen Bogen ums Kino. Erst sechs Jahre später stand er wieder vor der Kamera - für den dreistündigen Monumentalfilm "Der Untergang des Römischen Reiches", und wenig später eben für "The Sound of Music". Ihn auf diesen Film zu reduzieren, wäre allerdings höchst ungerecht.

Zweifacher Rekordhalter

Christopher Plummer war nie einer, der sich auf eine bestimmte Rolle oder ein Genre festlegen wollte. Der Kanadier mit dem fast schon britischen Akzent spielte den "Dschungelbuch"-Autoren Rudyard Kipling in "Der Mann, der König sein wollte" (1975), das "Phantom" in "Der rosarote Panther kehrt zurück" (1975) und mit viel Schminke im Gesicht einen Klingonen in "Star Trek VI: Das unentdeckte Land" (1992). In "Insider" (1999) war er ein Starjournalist, in "Alexander" (2004) der Philosoph Aristoteles, in "The New World" (2005) ein Seefahrer. Zuletz sah man ihn vor rund einem Jahr in "Knives Out - Mord ist Familiensache" als alternden Patriarchen, der von seinem eigenen Nachwuchs ermordet wird. Kaum ein Schauspieler war so wandelbar wie Plummer. Und kaum einer war so fleißig: Plummers Filmografie listet weit über 100 Werke auf - in manchen Jahren kamen gar vier oder fünf Filme mit ihm ins Kino. Quasi nebenbei stand er noch für rund 70 TV-Produktionen vor der Kamera.

Indes: Die Academy in Los Angeles, die alljährlich die Oscars vergibt, brauchte lange, um auf Plummer aufmerksam zu werden. Erst im Jahr 2010 - Plummer war da bereits 80 Jahre alt - erhielt er für seine Darstellung des Leo Tolstoi in "Ein russischer Sommer" eine Nominierung. "Wurde auch Zeit", kommentierte Plummer. Ein Jahr später hielt er den Goldjungen dann tatsächlich in den Händen - in der Komödie "Beginners" spielte Plummer einen Mann, der sich im hohen Alter als schwul outet. Plummer war und ist bis heute der älteste Gewinner eines Academy Awards. "Du bist nur zwei Jahre älter als ich, mein Lieber", sprach er damals auf der Bühne des Hollywood and Highland Center Theatre zu der kleinen, goldenen Statue. "Wo hast du mein ganzes Leben lang gesteckt?"

Keine Lust auf Rente

Und noch einen Oscar-Rekord stellte Plummer auf: Als er für seine Rolle in "Alles Geld der Welt" für einen Academy Award nominiert wurde, war er 88 - älter als jeder andere Nominierte vor ihm. Dass Plummer seine wohl bekannteste Rolle der letzten Jahre überhaupt spielen konnte, ist einer unschönen Geschichte geschuldet. Ursprünglich hatte Kevin Spacey für den Part des reichen Ölmagnaten Jean Paul Getty vor der Kamera gestanden. Als aber Belästigungsvorwürfe gegen den Schauspieler laut wurden, schnitt Regisseur Ridley Scott den in Ungnade Gefallenen aus seinem Film kurzerhand heraus und drehte die entsprechenden Szenen mit Christopher Plummer nach. Ein Glücksfall für den 88-Jährigen, der in "Alles Geld der Welt" eine seiner besten Leistungen zeigte.

Christopher Plummer war nicht nur ein harter Arbeiter, sondern auch einer, der das Leben stets genossen hat. Die 50er-Jahre seien eine "gute Zeit zum Trinken" gewesen, erinnerte sich Plummer vor einigen Jahren in einem Radiointerview. "Die 60-er waren mehr eine Ära der Drogen, und die 70-er waren so langweilig, dass ich mich nicht mehr an sie erinnern kann." Zuletzt lebte er mit seiner dritten Frau, der englischen Schauspielerin Elaine Taylor, in einem kleinen Ort in Connecticut. Dort starb er, wie US-Medien nun berichten, am Freitag im Alter von 91 Jahren.

Von Sven Hauberg