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Sir Peter Ustinov wäre am 16. April 100 Jahre alt geworden
Zum 100. von Sir Peter Ustinov: "Polyglotter Hansdampf in allen Gassen"
"Kein anderes Geräusch auf der Welt klingt so zivilisiert wie das Lachen", pflegte Peter Ustinov zu sagen. Ein Zitat, das schon vieles über diesen Mann, der bereits zu Lebzeiten eine Legende war, aussagt. Sir Peter, wie sich der gebürtige Londoner nach 1990, als ihn die Queen zum Ritter schlug, nennen durfte, zeichnete ein feinsinniger Humor aus. Sein Witz war berühmt, er kam von Herzen. Und er war dafür verantwortlich, dass Ustinov, der am 16. April 100 Jahre alt geworden wäre, bis ins hohe Alter eine besondere Aura umgab. Er war gerne laut, aber nicht etwa aus Eitelkeit, sondern aus reiner Empathie: Ustinov war einer, der immer alle mitnehmen wollte. Als Schauspieler gelang ihm das scheinbar mühelos, aber auch später, als Vortragsreisender, erreichte er die Massen.

Ustinov, der am 28. März 2004 in der Schweiz verstarb, war ein polyglottes Multitalent: Entertainer, Autor, Schauspieler, Satiriker, Journalist und Dokumentarfilmer - und vor allem Kämpfer für eine bessere Welt. Mit Anekdoten, die wirkten, als seien sie gerade mal für eine traute Teerunde bestimmt, füllte Peter Ustinov rund um den Globus Riesensäle und plauderte zum Zuhörer in der hintersten Reihe, als wäre er sein bester Freund. Und stets hatte er etwas zu sagen. Die Botschaft war oft ernst, wenn sie auch noch spaßig klang.

Unweigerlich fragt man sich, wo solche Kaliber heute noch zu finden sind. Aber man fragt sich gleichzeitig auch, wer in den hyper-aufgeregten Zeiten von Social Media und ungebremster Nachrichtenflut überhaupt noch auf sie hören würde - auf die großen Mahner, Beobachter, Erzähler, die nicht aus der Getriebenheit des Tagesgeschäfts, sondern mit der Weisheit des Alters auf die Welt blicken. Wie viele würden noch innehalten und einem in Würde gealterten Weltmann wie Peter Ustinov zuhören? Würde man ihn einen "Gutmenschen" nennen? Und wie könnte er verstehen, dass das ein Schimpfwort ist?

Mit großem Herz für die Kinder der Welt

Ustinov selbst hätte ganz gewiss mit Hingabe über solche Zusammenhänge philosophiert. "Wenn Gott heute auf die Erde käme, müsste er erst mal eine Kreditkarte haben. Die würde ihm aber niemand geben, weil er kein geregeltes Einkommen hat", hatte der scharf-, aber niemals böszüngige Kritiker des Zeitgeistes einmal gesagt.

Doch Peter Ustinov beließ es nicht dabei, Dinge anzuprangern. Er engagierte sich mit seiner ganzen gottgegebenen Ausstrahlung und Persönlichkeit - für den Frieden, gegen den Hunger und allgemein für eine bessere Welt. Seit 1968 war er offizieller Botschafter des Kinderhilfswerkes UNICEF. Sein leidenschaftlichster Kampf galt der Kindersterblichkeit in der Dritten Welt. "Alle Kinder dieser Welt impfen zu lassen, würde nicht mehr als drei Kampfflugzeuge kosten", rechnete er einmal vor und plädierte immer wieder für ein neues Denken, das weniger im Kommerz als in der Nächstenliebe und der Natur verhaftet ist. Ustinov wurde 1998 mit dem Großen Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet, es gibt hierzulande acht Schulen, die seinen Namen tragen.

Ustinov kam 1921 in London zur Welt - als Spross einer wahrhaft kosmopolitischen Familie, mit russischen, deutschen, französischen, italienischen und sogar äthiopischen Vorfahren. Der Elite-Schüler im Londoner Westminster stand schon vor dem Zweiten Weltkrieg auf der Bühne. Als Soldat lernte er dann, "dass es nirgendwo so viel geballte Dummheit gibt wie in der Armee", wie er es ausdrückte.

Bald begann der sprach- und weltgewandte junge Mann seine Karriere als Filmschauspieler in England und Hollywood. Aber was heißt schon Schauspieler? Peter Ustinov füllte Rollen aus. Er erschuf Figuren und machte aus ihnen immer ein bleibendes Charakterporträt - komisch, verzweifelt, traurig oder fröhlich. Unvergessen sein Schlachtgesang ("Brenn' weiter, du altes Rooom") als dicklicher Nero in "Quo Vadis" (1951). Zu seinen bekanntesten Filmen gehören "Spartacus" (1959/60) und "Topkapi", die ihm jeweils einen Oscar einbrachten, "Wir sind keine Engel" sowie "Tod auf dem Nil" (1977).

Wie auf den Leib geschrieben war ihm die köstliche Rolle des distinguierten Meisterdetektivs Hercule Poirot, der von Agatha Christie entworfenen Romanfigur. Da kam auch die Facette des Connaisseurs und Lebenskünstlers Peter Ustinov zur Geltung, des Mannes, der sich "privat" - was heißt das bei einer solchen Persönlichkeit schon - zur Lust am Leben bekannte und kaum ein Gourmetrestaurant ausließ. Auch die Lebensfreude gehörte zum Kaliber dieser Persönlichkeit, die von sich behauptete, sie fühle "sich überall zu Hause, wo man sich zivilisiert benimmt".

Über 60 Jahre künstlerischer Grenzgängerei

Neben der Schauspielerei begann Ustinov zu schreiben. Er verfasste Drehbücher, mehr als 20 Theaterstücke, sogar Romane und die Autobiografie "Ich und Ich". Außerdem führte er Film- und Opernregie. Über sechs Jahrzehnte hinweg betrieb er diese künstlerische Grenzgängerei zwischen den Formen und Genres. Zuletzt sauste Sir Peter Anfang der "Nullerjahre" in Werbespots mit Verona Feldbusch über die EXPO und war mit dem Programm "Ein klassischer Abend mit Peter Ustinov" auf Deutschland-Tournee.

Bei so vielen Talenten blieben die Preise und allerhöchste Auszeichnungen nicht aus. Als Nachfolger von Orson Welles wurde Ustinov in die "Academie Française" berufen, neben den Oscars heimste er unter anderem drei Emmys ein, erhielt einen Grammy-Award und sage und schreibe neun Ehrendoktor-Titel. 2001 wurde er in Berlin mit der Goldenen Kamera für sein Lebenswerk geehrt, 2004 erhielt er den Bayerischen Filmpreis. Und im selben Jahr, nach seinem Tod, wurde er posthum mit dem Charity Award der Rose d'Or gemeinsam mit UNICEF ausgezeichnet. Peter Ustinov sammelte Auszeichnungen, füllte Leinwände, Bücher und lange TV-Strecken. Heute ist er eine historische Person, die in ihren Werken und auch in der "Peter Ustinov Stiftung" (www.ustinov-stiftung.de) weiterlebt - doch eigentlich wird an einen wie ihn viel zu wenig erinnert.

ARTE zeigt "Tod auf dem Nil"

Vor 20 Jahren, zu Peter Ustinovs 80. Geburtstag, strahlte das ZDF die große Geburtstagsgala "In 80 Jahren um die Welt" aus. "Ein polyglotter Hansdampf in allen Gassen, der mit seinem Charme und seinem Intellekt das Publikum immer wieder fasziniert und mitreißt", hieß es damals treffend in der Programmankündigung. Nun, anlässlich des 100. Geburtstages, muss man schon genau suchen, um Werke zu Ehren Peter Ustinovs im TV-Programm zu finden. Mit "Tod auf dem Nil" (Sonntag, 2. Mai, 20.15 Uhr) hat ARTE immerhin den Klassiker schlechthin im Portfolio.

"Alt ist ein Mensch, wenn er aufhört zu staunen" - noch so ein kluges Bonmot von Peter Ustinov. In diesem Sinne blieb er auch im Alter jung. Er starb am 28. März 2004 mit 82 Jahren in einer Privatklinik in Genolier bei Genf an Herzversagen. Er ist auf dem Friedhof von Bursins in der Schweiz bestattet.

Von Frank Rauscher