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Ein bisschen Hoffnung auf der Berlinale: Der Goldene Bär ist verliebt
Jury-Präsident Paul Verhoeven hatte es zu Beginn der 67. Berlinale versprochen: Er würde im Wettbewerb auf filmische Qualitäten achten und nicht auf politische Botschaften. Dass nun tatsächlich der ungarische Beitrag "On Body And Soul" den Goldenen Bären gewonnen hat, ist insofern bemerkenswert, als sich die Filmfestspiele Berlin allzu gerne politisch geben. Mit ihrer Wahl jedenfalls haben Verhoeven und seine Jury-Kollegen Dora Bouchoucha Fourati, Olafur Eliasson, Maggie Gyllenhaal, Julia Jentsch, Diego Luna und Wang Quan'an einen sehr schönen, sehr poetischen Liebesfilm ausgezeichnet.

Ganz unpolitisch ist freilich auch "On Body And Soul", der auch von unabhängigen Jurys und mit einem Publikumspreis ausgezeichnet wurde, nicht. Regisseurin Ildikó Enyedi lässt in ihrer Schlachthof-Romanze zwei unmögliche Lover zueinander finden und zeichnet dabei ein ziemlich nüchternes Bild des modernen Ungarns, das sich auch auf andere Gesellschaften übertragen lässt.

Zwischen Korruption, Borniertheit, Profitgier und Oberflächlichkeit schaffen es Endre und Maria in einem Film von leiser Tragik und feiner Komik, ihre körperlichen und seelischen Handicaps zu überwinden. Wenn es den beiden gelingt - so könnte man den Goldenen Bären für "On Body And Soul" auch interpretieren -, dann besteht vielleicht doch noch Hoffnung in der Welt. Was ja auch eine politische Botschaft ist.

Dass der alte Finne Aki Kaurismäki mit dem Silbernen Bären für die beste Regie ausgezeichnet wurde, passt ins Bild. Sein Film heißt "Die andere Seite der Hoffnung" und handelt von einem Flüchtling, der sich in Finnland ein neues Leben aufbauen will: Im abgewirtschafteten Restaurant eines ehemaligen Hemden-Vertreters. Das ist alles so typisch Kaurismäki - so lakonisch, so märchenhaft, so schweigsam beredt -, dass man gar nicht anders kann, als den Film und seine Figuren uns Herz zu schließen.

Den Silbernen Bären und Großen Preis der Jury bekam der Film "Felicité", der von einer kongolesischen Sängerin erzählt, die Geld für eine Operation ihres Sohnes auftreiben muss. Der Preis für das beste Drehbuch ging an Sebastián Lelio und Gonzalo Maza für "Una mujer fantástica": Der chilenische Film erzählt von einer Transgender-Frau, die nach dem Tod ihres Lebensgefährten um ihr Recht zu trauern kämpft.

Die silbernen Darsteller-Bären holten sich Georg Friedrich für seine Rolle im deutschen Film "Helle Nächte" und die Südkoreanerin Kim Min-hee, die in "On The Beach At Night Alone" als Schauspielerin nach einer Affäre den Sinn des Lebens sucht.

Für den faszinierenden Krimi "Pokot" erhielt die Polin Agnieszka Holland den Alfred-Bauer-Preis für Filme, die dem Kino neue Perspektiven eröffnen. Den Silbernen Bären für eine herausragende künstlerische Leistung in den technischen Kategorien bekam Dana Bunescu für den Schnitt in "Ana, mon amour".

Zum ersten Mal wurde auf der Berlinale der beste Dokumentarfilm des Festivals ausgezeichnet. Den mit 50.000 Euro dotierten Preis gewann der palästinensische Regisseur Raed Andoni, der in seinem Film "Ghost Hunting" ehemals gefangene Palästinenser ihre Erfahrungen in der Haft nachspielen lässt.

Von Andreas Fischer