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Jeanne Moreau
Die Filmwelt trauert um "la Moreau"
Ikone des französischen Autorenkinos, leidenschaftliche Femme fatale, Muse der "Nouvelle Vague": Jeanne Moreau, eine der führenden Charakterdarstellerinnen Frankreichs, vereinte viele Attribute. Respektvoll nannte man sie stets nur "Die Moreau", wie es sonst bei Greta Garbo oder Marlene Dietrich üblich war. Nun ist die französische Ausnahmeschauspielerin im Alter von 89 Jahren verstorben. Medienberichten zufolge fand man sie nach Angaben der Bürgermeisterin des achten Pariser Bezirks tot in ihrer Wohnung.

Ihr unglaubliches Gespür für die Regie-Avantgarde bescherte Jeanne Moreau eine Filmografie, in der einige der bedeutendsten Regisseure der großen Zeit des europäischen Kinos auftauchen: Von Orson Welles über François Truffaut, von Louis Malle bis Rainer Werner Fassbinder und Wim Wenders - Jeanne Moreau hat mit allen gearbeitet und die meisten davon - wie sie selbst sagte - geliebt.

Nein, einen Lieblingsregisseur könne sie unter den zahlreichen Film-Legenden nicht ausmachen, sagte Jeanne Moreau in einem Interview. Es gebe nichts Intimeres als die Zusammenarbeit des Schauspielers mit seinem Spielleiter: "In kürzester Zeit entsteht keine freundschaftliche, sondern eine sehr, sehr enge, tiefe Beziehung. Ich habe meine Karriere nicht geplant. Die Regisseure sind alle auf mich zugekommen. Ich muss auf sie anziehend gewirkt haben, irgendetwas sahen sie in mir." Unnahbar, verführerisch, lebensfroh, verletzlich: Ihre Rollen waren so vielfältig wie sie selbst, und oft genug wurde die echte Jeanne Moreau mit ihrem Filmcharakter gleichgesetzt. Vor allem die Figur der frivolen, durchtriebenen Schönheit haftete ihr lange an: "Ich hatte Liebhaber", bekannte sie, "aber da war ich ja nicht allein".

Geboren 1928 in Paris als Tochter eines französischen Hoteliers und einer britischen Tänzerin studierte sie später am Pariser Konservatorium und arbeitete von 1948 bis 1952 als Theaterschauspielerin an der "Comédie-Française" und am "Théâtre National Populaire" von Jean Vilar. Es folgten erste Filmrollen und schließlich der Durchbruch mit Louis Malles Kriminalfilm "Fahrstuhl zum Schafott" (1958), in dem sie eine mörderische Ehefrau spielte, die ihren Mann beseitigen will.

Die wohl bekannteste Figur, die Jeanne Moreau verkörperte, ist die schöne Catherine in der melancholischen Dreiecksgeschichte "Jules und Jim" (1962) von François Truffaut. Der Film gilt als Klassiker der "Nouvelle Vague", einer Stilrichtung, die im französichen Kino der späten 50er-Jahre entstand. Das Liebesdrama behandelt die Geschichte zweier Freunde, die sich vor Beginn des Ersten Weltkrieges in die gleiche Frau verlieben. Jeanne Moreau selbst hielt eine "ménage à trois" für unmöglich: "Die Gefühlslagen sind zu kompliziert", so lautete ihre sachliche Analyse zur offenen Beziehung.

Nicht nur mit den besten Regisseuren, sondern auch mit der "Crème de la Crème" der französischen Schauspielgarde arbeitete Jeanne Moreau zusammen: Jean-Paul Belmondo ("Stunden voller Zärtlichkeit", 1960), Gérard Depardieu ("Die Ausgebufften" 1974, "Les Miserables", 2000) und Jean Reno ("Nikita", 1990) gehörten ebenso zu ihren Co-Stars wie die andere "Femme fatale" des französischen Films, Brigitte Bardot. Mit der attraktiven Blondine drehte die Moreau 1965 die Revolutionskomödie "Viva Maria!" (Regie: Louis Malle), die mit einer heißen Striptease-Szene aufwartet und damit Mitte der 60er-Jahre für einen handfesten Skandal sorgte.

Moreau wurde mit zahlreichen Theater- und Filmpreisen geehrt. Neben der Auszeichnung als beste Darstellerin in Cannes verlieh ihr das Festival 2004 auch die Goldene Palme für ihr Lebenswerk. Ein Leben ohne die Schauspielerei, das kam für die Vielarbeiterin nicht infrage. "Ich höre erst auf, wenn ich tot bin", sagte sie einst in einem Interview.

Als sie 80 Jahre alt wurde, bekannte die Diva, sie betrachte jeden Tag ihres Lebens als Geschenk, insbesondere nachdem sie 1960 den Krebs besiegte. Mit Freude las sie Honoré de Balzac und Marcel Proust. Den umstrittenen französischen Starautor Michel Houellebecq verehrte Jeanne Moreau sogar, sah sie in ihm doch einen Visionär, wenn auch einen dunklen. Angst vor dem Tod hatte die Schauspielerin nach eigenem Bekunden nicht, zu häufig wurde sie mit ihm - auch während des Krieges - konfrontiert.

Am Ende, so Jeanne Moreau einmal gegenüber der "Süddeutschen Zeitung", zähle nur die Moral: "Es geht nicht um Trauer oder Glück. Sondern um richtig oder falsch. Am Ende stehen wir alleine da vor unserem Gewissen. Auf der Leiter, die Jakob in der Bibel im Traum sieht, bin ich deshalb immer nur nach oben gegangen: Es gab Niederlagen, einige sogar. Aber ich habe - in guten wie in schlechten Zeiten - immer meiner eigenen Moral standgehalten. Das Leid vergeht. Das Gewissen? Bleibt."

Von Jasmin Herzog