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"Drei Schritte zu dir"
Filmbewertung: ausgezeichnet
Starttermin: 20.06.2019
Regisseur: Justin Baldoni
Schauspieler: Haley Lu Richardson, Cole Sprouse, Moises Arias
Entstehungszeitraum: 2019
Land: USA
Freigabealter: 6
Verleih: Universal Pictures International Germany
Laufzeit: 117 Min.
Liebe auf Distanz
Das erste Gefühl, das jeder Mensch erlebt, ist das der Berührung. In Momenten der Freude umarmt man sich, in Momenten der Trauer tröstet man sich. Das Drücken einer Hand kann alles sein, was zwischen Verzweiflung und Hoffnung steht. Aber was, wenn man jemanden liebt, den man nicht berühren darf? Dem man nicht näher als drei Schritte kommen kann? So ergeht es Stella (Haley Lu Richardson) und Will (Cole Sprouse) in "Drei Schritte zu dir". Beide leiden an Mukoviszidose und befinden sich zur selben Zeit im selben Krankenhaus, um an einer neuen Therapiemethode teilzunehmen.

Während Stella auf ein längeres Leben hofft, wohl wissend, dass Menschen mit ihrer Krankheit auch nach erfolgreicher Lungentransplantation oft nur wenige Jahre bleiben, kokettiert Will mit dem Sterben. Beide könnten unterschiedlicher nicht sein. Auf der einen Seite das Mädchen, das niemals die Kontrolle verlieren will, aber darüber zu leben vergisst; auf der anderen der Junge, der dem Ende trotzig entgegensieht. Weil es nur Leben ist, und das endet eben auch. Bei dem einen schneller, bei dem anderen langsamer.

Stella und Will ähneln in ihrem Schicksal Hazel Grace und Gus aus der Literaturverfilmung "Das Schicksal ist ein mieser Verräter". John Greens Roman, aber auch die filmische Umsetzung erscheinen wie die direkte Blaupause für "Drei Schritte zu dir". Erzählt wird beide Male von der ersten Liebe zwischen sterbenden Teenagern, bei denen man nicht weiß, wen es zuerst treffen wird. Das ist die Unwägbarkeit des Lebens, komprimiert auf eine kurze Zeitspanne, in der Stella und Will glücklich sind. Oder zumindest etwas hinreichend Ähnliches erleben. Denn anders als Hazel Grace und Will können sie einander nicht berühren.

Teenie-Romanze ohne Händchenhalten

Menschen, die an der Erbkrankheit Mukoviszidose leiden, müssen sich von anderen, die ebenfalls daran erkrankt sind, fernhalten. Fünf Fuß, wie es im Original heißt, oder drei Schritte, da es verschiedene Formen von Bakterien gibt und der Kontakt mit denen eines anderen Patienten sehr leicht zum Tod führen könnte. Entsprechend ist "Drei Schritte zu dir" eine Teenie-Romanze, bei der es eines nicht gibt: Händchenhalten. Aber Blicke sind erlaubt, wie sich in einer der schönsten Szenen des Films zeigt, wenn sich beide dem anderen gegenüber ganz und gar öffnen. Möchte man "Drei Schritte zu dir" mit "Das Schicksal ist ein mieser Verräter" vergleichen, so ist das der Moment, in dem die Liebenden ihr erstes Mal erleben - nur dass es in diesem Film eben ganz und gar anders ablaufen muss.

Noch während sie an dem Drehbuch zu "Drei Schritte zu Dir" arbeiteten, schrieben Mikki Daughtry und Tobais Iaconis (zusammen mit Rachael Lippincott) den Roman zum Film. Beide Medien stehen gleichberechtigt nebeneinander und erzählen die Geschichte weitestgehend identisch. Nur zum Ende hin reißt der Film aus und findet ein deutlicheres Schlussbild als das Buch, das das weitere Schicksal der Figuren deutlich ambivalenter gestaltet.

Dass die Darstellung des Lebens mit Mukoviszidose im Film so authentisch wie möglich ist, liegt auch daran, dass die Macher während der Produktion eng mit Claire Winelands Place Foundation zusammengearbeitet haben. Wineland, die selbst an Mukoviszidose litt und nach einer Lungentransplantation im September 2018 verstarb, war als Beraterin für die Produktion tätig. Davon profitierten auch die beiden Hauptdarsteller Haley Lu Richardson und Cole Sprouse, die mit Wineland über ihre Rollen und die damit einhergehenden Anforderungen sprechen konnten.

Durch die Zusammenarbeit konnte sichergestellt werden, dass die Darstellung der mit der Krankheit einhergehenden Umstände - die Therapie, die vielen Tabletten, die Infusionen, der Sauerstoff, die Operationen - akkurater ist, als man das in einem Hollywood-Film normalerweise zu sehen bekommt. Dieser authentische Unterbau ist es auch, der die zauberhaft schöne, aber eben auch durchaus kitschige Geschichte so gut funktionieren lässt. Weil der Schrecken des Sterbens auf etwas sehr Einfaches und Simples heruntergebrochen wird, in das sich jeder hineinversetzen kann: das erschreckende Gefühl, dass man den Menschen, den man am meisten liebt, nicht mehr berühren kann.

Von Peter Osteried