Ein Leben als Mahnung
Nach dem Krieg hätten alle geschwiegen, erinnert sich Marthe Cohn. Also schwieg auch sie. Jahrzehntelang. Bis es nicht mehr ging und sie schließlich doch erzählten wollte, erzählen musste, was sie damals erlebt hatte. Die Schwester der französischen Jüdin wurde von den Nazis in Auschwitz ermordet, sie selbst konnte mit ihrer Familie nach Südfrankreich fliehen. 1944, Cohn war 24 Jahre alt, schloss sie sich dem Widerstand an. Weil sie, die an der Mosel aufgewachsen war, so gut Deutsch sprach, sollte sie fortan als Spionin arbeiten. Martha Ulrich nannte sich die kleingewachsene Frau nun, und nach mehreren vergeblichen Versuchen gelang es ihr schließlich, dem deutschen Feind wichtige Informationen zu entlocken, etwa zur Stellung deutscher Truppen im Schwarzwald.
Marthe Cohn war während des Zweiten Weltkriegs als Spionin aktiv.
© 2020 missing films - Filmverleih & Weltvertrieb
Im Jahr 1920 kam Marthe Cohn im französischen Metz zur Welt.
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Mehrmals versuchte Marthe Cohn, die Grenze ins feindliche Deutschland zu überqueren, bis es ihr einige Monate vor Kriegsende schließlich gelang.
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Der Dokumentarfilm "Chichinette - Wie ich zufällig Spionin wurde" erzählt nun von der unglaublichen Lebensgeschichte der heute 100-Jährigen, die seit Jahren um die Welt reist, um zu berichten, was sie im Krieg erlebte. Sie mache das nicht nur, um Geschichtsunterricht zu geben, erklärt Marthe Cohn, sondern auch, um zu mahnen. So sieht das auch Regisseurin Nicola Hens. Sie sagt: "Angesichts der aktuellen Debatten um den Umgang mit Geflüchteten, offen geäußertem Rassismus und vermehrter Skepsis gegenüber einem geeinten Europa erscheinen Marthes existentielle Lebenserfahrungen wieder aktueller denn je."
Von teleschau